KOMMUNISMUS AUS DEM SHOPPING-CENTER

Der Titel „Konzeptionen“ kann programmatisch für das Zustandekommen der Ausstellung stehen. Vier Institutionen haben mitgewirkt, was man an der Widersprüchlichkeit des Endergebnisses ablesen kann.

Das Interesse, eine solche Ausstellung zu machen, ist ursprünglich ein politisches, kein kunsthistorisches oder sozialgeschichtliches gewesen. Man wollte die diplomatischen Beziehungen der Sowjetunion zum Diepgen-Senat verbessern. Der Comenius-Club oder auch Gesellschaft für Deutsch -Osteuropäische Beziehungen e.V., ein Zusammenschluß aus Gewerkschaftlern, Sozialdemokraten und Kirchenpolitikern, 1967 gegründet, nahm zu diesem Zweck Beziehungen auf mit dem sowjetischen Außenministerium. Ursprünglich wollte man Architekturkonzeptionen von acht sowjetischen Städten vorstellen, was aber 1987 an der Kompliziertheit der Verhandlungen scheiterte. Der Comenius-Club merkte außerdem, daß er mit der fachlichen Ausführung einer Architekturausstellung überfordert war, und wandte sich an das KCK - Kremin Kirsch Präsentationsmarketing.

Dieses Büro wurde vor zwei Jahren von einem diplomierten Kunsthistoriker und einem diplomierten Stadt- und Regionalplaner gegründet, die das „Vermittlungsproblem“ von Kunst an die Öffentlichkeit zu ihrem Broterwerb gemacht haben. Obwohl sie sich selbst nicht als Werbeagentur verstehen, arbeiten sie mit Marketingmethoden. Bei der Konzeption der „Konzeptionen“ ging man vom marktwirtschaftlichen Prinzip von Angebot und Nachfrage aus. Mittels Medienbeobachtung wurden die Form des Interesses an der Sowjetunion und mögliche Zielgruppen analysiert.

Vielleicht hängt die modische Buntheit der Präsentation weniger mit, so KCK, „dem Versuch, Zäsuren zu setzen“ zusammen als mit der Bedienung eines modischen Perestroikainteresses. So nennt KCK im selbst erstellten „Reader“ zur Ausstellung als einen von zwei Gründen für die Konzeption von „Konzeptionen“, daß die Sowjetunion gerade im „Trend“ liege und selbst bisher tabuierte Strömungen (die Architektur der vierziger und fünfziger Jahre) jetzt durch „die Erfahrungen mit der Postmoderne ein großes Interesse finden können“. Fraglich, ob ein solch oberflächlicher Ansatz im Sinne von politischer Auseinandersetzung mit der UdSSR sein kann, jedenfalls wurden die generellen Konzeptionen von KCK in einem Vertrag mit dem Comenius -Club gebilligt.

Schwieriger gestaltete sich die Zusammenstellung der Exponate, da man mit verschiedenen sowjetischen Stellen, dem Forschungsinstitut Sowjetunion für Theorie der Architektur und des Städtebaus und dem Stschussew-Museum für Architektur in Moskau verhandeln mußte. Ende November, so beklagt KCK, habe schon eine Vorauswahl durch die sowjetischen Stellen stattgefunden, eigene Wünsche nach Vorlagen für den Bau von Architekturmodellen seien vom Architekturmuseum abgeblockt worden. Die Ausstellung, die eigentlich in der TU gezeigt werden sollte, wurde an einen repräsentativeren Ort verlegt: die Kunsthalle. Überraschend habe Kunsthallendirektor Ruckhaberle den Machern mitgeteilt, daß die Ausstellung um sechs Wochen vorverlegt werden müsse, zwischen Filmfestspiele und eigenem Projekt zur französischen Revolution. Bis zum letzten Tag seien die Maße der Ausstellungsflächen nur unzureichend bekannt gewesen, so KCK, was fast zu einem Eröffnungsfiasko geführt hätte.

All das kann Ruckhaberle nicht bestätigen. Der Termin sei mit dem Comenius-Club so abgesprochen gewesen, die Ausstellungsflächen hätten sich nur durch den Einbau von Belüftungsanlagen geringfügig verändert. Ausreden, um mangelnde Sorgfalt zu entschuldigen? Schnell zusammengestoppelt erscheint zumindest der „Reader“, voller orthographischer und inhaltlicher Fragwürdigkeiten. Der 227 Seiten starke offizielle Katalog, ausschließlich von sowjetischen Wissenschaftlern verfaßt, mag bisweilen dröge wirken oder, was die kritischen vierziger und fünfziger Jahre betrifft, sich bedeckt halten. Er erspart dem/r Leser/in aber Formulierungen wie die KCK-Definition von Kommunismus: „Der Kommunismus ist dementsprechend nichts Zentralistisches. Er ist eine abstrakte generalisierende Bezeichnung für den Sieg der Kommunen: die weltweite Durchsetzung der klassischen europäischen Stadtverfassung, einzeln und autonom an jedem Ort der Erde.“ Trotzdem, die sowjetischen Leihgeber sind zufrieden und ziehen in Erwägung, die „Konzeptionen“ auch in Moskau zu zeigen, bzw. weitere Spezialausstellungen mit Kremin und Kirsch zu erarbeiten. Würde die Kunsthalle noch einmal mit dem Team zusammenarbeiten? Ruckhaberle: „Mit dem Comenius-Club ja.“

DoRoh