„Das Ende der Toleranz“

Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller-Seel über ihre rasante Karriere / Die Knappheit der Frauen an der Spitze / „Gegen Strukturbeschlüsse Politik gemacht“  ■ I N T E R V I E W

taz: Frau Riedmüller, Sie sind erst vor einem Jahr als Professorin für „Politische Wissenschaft mit Berücksichtigung der Frauenforschung“ an die FU berufen worden. Drei Monate später waren Sie bereits Vizepräsidentin, jetzt sind Sie Senatorin. Wie erklären Sie sich diese rasante Karriere?

Riedmüller-Seel: Das kann ich gar nicht erklären, darüber bin ich selbst überrascht. Es ist mir fast peinlich, wie schnell ich die FU wieder verlassen habe, weil ich da gern gearbeitet habe. Ich schließe daraus, daß die Knappheit der Frauen an der Spitze dafür spricht, daß ich in diese verschiedenen Ämter gefragt wurde. Der positive Aspekt für mich ist dabei, daß Frauen, die frauenpolitische Absichten und Themen verfolgen, auch für Ämter gefragt werden. Ich hatte befürchtet, daß die gerade nicht gefragt werden. Der Senat spricht das Gegenteil aus: wir sind alle Frauen, die frauenpolitisch aktiv sind und waren.

Ihre Wahl wurde von seiten der ÖTV, des Asta FU sowie der linken Fraktion im Akademischen Senat heftig kritisiert. Vorwürfe: Sie hätten sich als Vizepräsidentin in die katastrophale Strukturplanung der FU-Leitung einbinden lassen. Während des Streiks hätten Sie zu den Forderungen der StudentInnen geschwiegen. Und erst kürzlich hätten Sie sich außerdem gegen ein Mißtrauensvotum gegen FU-Präsident Heckelmann ausgesprochen. Was sagen Sie dazu? Und wieso haben Sie dem umstrittenen Heckelmann die Stange gehalten?

Zuerst mal zu den Gruppen. Das ist ja dieselbe Gruppe, die unter verschiedenen Etiketten auftritt. Die Vorwürfe selbst weise ich vehement zurück. Es ist nachlesbar, daß ich gegen die Strukturbeschlüsse Politik gemacht habe. Ich habe zum Beispiel verhindert, daß die allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft, die ja an die Philologien gehen sollte, verlagert wird. Die Strukturplanung habe ich erst kurz nach meinem Amtsantritt als Vizepräsidentin fertig auf den Tisch bekommen, und das wissen die Beteiligten. Das Mißtrauensvotum ist auch so ein Punkt. Zum Glück machen wir Wortprotokolle im AS. Ich bin ja nicht stimmberechtigt gewesen, habe mich aber zu Wort gemeldet. Und zwar, weil ich es politisch für eine absolute Fehlentwicklung halte, sich mehrere Jahre ausschließlich an einer Person Heckelmann festzuhalten und nichts anderes zu entwickeln - und dann auch noch den studentischen Streik dafür zu instrumentalisieren, der wirklich weitergehende Ziele verfolgt, als sich an Personen abzuarbeiten. Ich wünschte, es gebe an der FU eine Linke, die wirklich in die Opposition geht, und zwar inhaltlich. Übrigens: Dieselben Gruppen, die mich kritisiert haben, sagten hinterher: Das war nötig, aber wir hoffen auf gute Zusammenarbeit. Für diese Art der Symbolik ist dann aber irgendwann auch mal das Ende meiner Toleranz erreicht.

Interview: Beate Schulz