USA in der Schuldenzange

Höhere Zinsen zur Inflationsbekämpfung erhöhen die Verbindlichkeiten des mit Abstand am höchsten verschuldeten Landes / Wirtschaftspolitischer Spielraum wird enger / Wie lange spielen Partner noch mit?  ■  Von Horst Buchwald

Ein neuer Crash ist wohl nicht zu erwarten. Aber an den Börsen grummelt es. Einige Schlagzeilen dieser Tage: „Wall Street: Hohe US-Inflation schockiert die Märkte„; „Kursbeben an den Finanzmärkten„; „Inflations- und Zinsangst schwächen die Weltbörsen“. Der monatliche Konjunkturbericht der 'Neuen Zürcher Zeitung‘ trug die Überschrift: „Im Banne steigender Zinsen“. In der Tat: Von den USA gehen wieder mal gefährliche Tendenzen aus.

Mit großer Spannung wurde am Dienstag auf die Bekanntgabe des US-Verbraucherpreisindex‘ für den Monat Februar gewartet. Der Grund: Die Produzentenpreise waren im Februar bereits erneut um einen ganzen Prozentpunkt gegenüber dem Vormonat angestiegen. Nach Preiserhöhungen von 0,5 Prozent im Dezember und 1,0 Prozent im Januar schlossen die Statistiker auf einen Anstieg der Erzeugerpreise von 12,6 Prozent für das ganze Jahr. Somit lag ein Durchschlagen auf die Konsumentenpreise in der Luft. Aber jene 0,4 Prozent (im Januar wurde mit 0,6 Prozent der höchste Anstieg seit zwei Jahren registriert), die dann gemeldet wurden, liegen noch unter den Erwartungen. Anlaß zur Beruhigung ist das jedoch nicht. Schließlich liegen die Produzentenpreise klar über der offiziellen Inflationsrate. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, wann die Verbraucherpreise steigen. Genau dann muß auch mit einem weiteren Zinsanstieg gerechnet werden. Wo liegen die Ursachen für diese sich gegenseitig verstärkenden Elemente? Mit welchen Folgen auch außerhalb der USA muß gerechnet werden?

Schneller als vermutet wirkt sich das wirtschaftspolitische Erbe Reagans aus. Seine Hinterlassenschaft: Ein Budgetloch von 160 Milliarden Dollar, dazu ein Defizit in der Handelsbilanz von 140 Milliarden Dollar. Der Zwang, diese Summen zu finanzieren, erhöhen die Schuldenlast der USA gegenüber dem Ausland. Mit rund 400 Milliarden Dollar - so viel wie alle lateinamerikanischen Schuldner zusammen steht das Land am höchsten in der Kreide. Entsprechend stark ist der Druck im eigenen Land sowie bei den „Partnern“, diese Defizite zu beseitigen. Das Gefahrenpotential für die Weltwirtschaft ist einfach zu groß.

Geradezu mickrig sind aber die Erfolge beim Handel. Gegenüber der EG wurde im Januar ein Plus von 47 Millionen Dollar gemeldet - das erste Plus seit September 1983. Und gegenüber dem Erzfeind Japan gelang es, den Fehlbetrag auf 3,5 gegenüber 5,1 Milliarden Dollar im Vormonat zu verringern. Der niedrigste Stand seit vier Jahren. Diese kleinen Erfolge machen jedoch noch einmal deutlich, wie weitgehend der Hochrüstungskurs der Reagan-Administration die Wirtschaft des Landes ruiniert hat.

Beim Haushaltsdefizit sieht es jedoch düster aus. Leon Panetta, Vorsitzender der Budgetkommission des Repräsentantenhauses, sprach von „Spiegelfechterei“. Präsident Bush schiebe die Haushaltsprobleme nur vor sich her. Statt mit einer Konsolidierung wird mit einem Fehlbetrag von 170 Milliarden Dollar gerechnet. Erst gestern gab das Washingtoner Finanzministerium bekannt, daß das Haushaltsdefizit allein im Februar 27,87 Milliarden Dollar betrug (Februar 1988: 24,3 Mrd.). Eine endgültige Entscheidung kann wohl erst im Spätsommer erwartet werden. Das aber bringt Notenbankchef Greenspan in Rage. Er besteht auf einer restriktiven Geldpolitik, und das heißt höhere Zinssätze. Bush tritt jedoch dagegen auf. Er fürchtet, hohe Zinsen würden das Wachstum und damit die Staatseinnahmen beschränken.

Während beide streiten, reagierten die Kapitalmärkte. Fast überall zogen die Zinsen an. Offensichtlich wird der Bush -Administration nicht mehr abgekauft, daß sie die Defizite in Haushalt und Handel beseitigen will. Hinzu kommen neue Daten zur äußerst prekären Lage der US-Sparkassen. Die vom Weißen Haus ins Spiel gebrachte Sanierungssumme von 90 Milliarden Dollar ist Makulatur. Es gibt Schätzungen von mehr als 200 Milliarden Dollar. Auch die müssen finanziert werden.

Neue Kreditaufnahmen Washingtons sind also fällig. Da lohnt es sich für die Banken, die Zinsen anzuheben. Von der Gefahr einer internationalen Zinsspirale ist nun die Rede. Die Folgen wären fatal. Daß sich die Schuldenkrise zuspitzt, ist inzwischen nicht mehr zu übersehen. Zinssteigerungen werden sie weiter verschärfen. Doch mehr noch: Höhere Zinsen werden auch die Wechselkurse erneut aus der Bahn werfen, insbesondere den Dollar. Der Kurs der US-Währung steigt also - auf den ersten Blick paradoxerweise - unter anderem, gerade weil die Inflation in den USA anzieht: Die hohen Zinsen zur Inflationsbekämpfung können den Dollar als Anlagewährung attraktiv machen. Das Spekulationskarussell wird einen kräftigen Schub erhalten. Auch das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Wenn die Bush-Administration die Defizite nicht ernsthaft beseitigt, liegt es nahe - schon um weltweite Turbulenzen zu vermeiden -, ihnen den Kredithahn abzudrehen.

Der IWF hat umfangreiche Erfahrungen mit der Umsetzung von Anpassungsprogrammen. Sie auch dem größten Schuldner aufzunötigen, erscheint immer dringlicher. Schließlich wäre das gleichzeitig auch ein sinnvoller Beitrag zur Milderung der Schuldenkrise in den Entwicklungsländern.