Bejing will jetzt mit Dalai Lama verhandeln

In der Tibetfrage zeichnet sich ein Einlenken der Volksrepublik China ab: Parteizeitung meldet Kontaktaufnahme mit dem geistigen Oberhaupt der Tibeter / Dalai Lama nennt Bedingungen: Größere Autonomie, kein weiterer chinesischer Zuzug und Schluß mit der Umweltzerstörung  ■  Von Jürgen Kremb

Berlin (taz) - In der Tibetfrage zeichnet sich ein Einlenken Chinas ab. Wie gestern aus der in der chinesischen Hauptstadt Bejing erscheinenden Auslandsausgabe des Parteiorgans 'Volkszeitung‘ hervorging, hat die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) erstmals Kontakt mit dem Dalai Lama aufgenommen. Voraussetzung für Verhandlungen zur Lösung der Konflikte auf dem „Dach der Welt“ sei aber, daß der im indischen Exil lebende spirituelle Führer der Tibeter von seinen Plänen der „Spaltung des chinesischen Mutterlandes“ ablasse, erklärte das Mitglied des Sekretariats der KPCh Yan Mingfu.

Damit weicht Bejing erstmals deutlich von seiner harten Linie bei der Lösung der Konflikte in der „Autonomen Region Tibet“ ab, die seit 1950 von chinesischen Truppen besetzt ist. Angesichts der schweren Unruhen von Anfang März ist der KPCh nun offenbar bewußt geworden, daß eine friedliche Lösung der Konflikte ohne den Dalai Lama nicht möglich ist.

Wegen der blutigen Unruhen aus Anlaß des dreißigsten Jahrestages der Flucht des Dalai Lama am 10.März 1959 hatte Bejing vor zwei Wochen das Kriegsrecht in dem entlegenen Landesteil ausgerufen. Nach offziellen Angaben waren bei dem Volksaufstand in der ersten Märzwoche 16 Menschen ums Leben gekommen. Das in Hongkong ansässige „Asiatisch-Pazifische Forum für Tibet“ legte dieser Tage aber erstmals detaillierte Angaben von westlichen Augenzeugen der Demonstrationen vor, in denen von mehr als 610 Toten und geschätzten 5.000 Verhafteten die Rede ist.

In seiner Erklärung in der 'Volkszeitung‘ verweist Yan Mingfu auf angebliche Erkenntnisse des chinesischen Geheimdienstes, daß Waffen nach Tibet geschmuggelt worden seien und eine Bereitschaft zum bewaffneten Aufstand gegen die volkschinesischen Soldaten existiere. Im Exil wird unter Vertretern des „Tibetischen Jugendkongresses“ die Forderung lauter nach einem Volkskrieg nach palästinensischem und afghanischem Muster.

Noch in den letzten Wochen hat sich der Dalai Lama deutlich von diesen Vorstellungen distanziert. Bereits im letzten Jahr bot er der KPCh an, daß sie das Militär auf dem Dach der Welt belassen und auch die außenpolitischen Vertreter für Tibet weiterhin behalten könne. Seine Bedingungen für Verhandlungen seien eine größere Autonomie Tibets im chinesischen Staatenverband, ein Stopp des Zuzugs der Chinesen, um die Tibeter nicht zur Minderheit im eigenen Land zu machen, und ein Stopp der Umweltzerstörung im Himalaya.

Sowohl Vertreter der französischen Regierung wie auch UNO -Generalsekretär Perez de Cuellar hatten in der vergangenen Woche gefordert, internationale Beobachter in das Krisengebiet Tibet zu entsenden. Die kanadische und niederländische Regierung brachten die Menschenrechtsverletzungen in den Hochtälern des Himalayas sogar auf die Tagesordnung der UN-Menschenrechtskommission. Für die Bundesregierung in Bonn bedeute die „Nichterwähnung der Menschenrechte in Tibet“, daß man der Frage „indifferent gegenüberstehe“, erklärte Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen Amt auf eine Anfrage von Petra Kelly. Die Bundestagsabgeordnete der Grünen hat indessen für den 20. und 21. April eine „Internationale Tibetanhörung“ organisiert.