Vermittler zwischen RAF und Staat

Sieben Wochen nach Beginn des Hungerstreiks der Gefangenen aus RAF und Widerstand will eine Initiative von Privatpersonen und PolitikerInnen zwischen Staat und Hungerstreikenden vermitteln / Gefangene lehnten Gespräche mit Vermittlern in den meisten Fällen ab  ■  Von Gerd Rosenkranz

Bonn (taz) - „Tiefe Niedergeschlagenheit“ registrierte eine Teilnehmerin am Ende der Sitzung. Geradezu körperlich spürbar sei die Erkenntnis gewesen, daß es im Verlauf des seit nunmehr sieben Wochen andauernden Hungerstreiks der Gefangenen der RAF und anderer militanter Gruppen erneut Tote innerhalb und außerhalb der Mauern geben könne. Ebenso zäh wie erfolglos versucht bislang ein Zusammenschluß von Privatpersonen - unter ihnen Verwandte des 1986 von einem RAF-Kommando ermordeten Gerold von Braunmühl, die grüne Abgeordnete Antje Vollmer, einige PfarrerInnen und führende Mitglieder der Heinrich-Böll-Stiftung -, die eisernen Fronten zwischen den Gefangenen und ihren Anwälten hier und dem Staatsapparat da aufzuweichen.

Anfang der Woche nun entschloß man sich zum Schritt an die Öffentlichkeit. Unter dem Dach der Heinrich-Böll-Stiftung bat der frühere Bundesvorstandssprecher der Grünen, Lukas Beckmann, zur „Information und Beratung“ in den Bonner Presseklub. Geladen waren neben Journalisten auch Angehörige und Anwälte der Gefangenen. Was die von niemandem beauftragten Vermittler über ihre bisherigen Bemühungen zu berichten hatten, war angesichts der Zuspitzung des Hungerstreiks alles andere als ermutigend. Die Gefangenen lehnten Gesprächsangebote in den meisten Fällen ab. Christa Eckes etwa, die seit Anfang Februar die Nahrungsaufnahme verweigert, wollte einen Brief der Witwe und eines der Brüder Gerold von Braunmühls gar nicht erst annehmen. Ähnlich schroffe oder hinhaltende Reaktionen ernteten auch andere Mitglieder der Vermittlergruppe. Lediglich Rolf Heißler erklärte grundsätzlich Bereitschaft, mit Karl Bonhoeffer, Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung, zusammenzutreffen. Mit Bernd Rössner, dessen sofortige Freilassung die Gefangenen fordern und der wie Heißler in Straubing inhaftiert ist, wurde ein Gespräch fest vereinbart.

Mit der staatlichen Seite, namentlich den Ministern Engelhard in Bonn und Krumsiek in Düsseldorf, kamen Gespräche zwar zustande, ihre Ergebnisse jedoch ließen die Beteiligten „beklommen“ zurück. Die Minister wandten sich kompromißlos gegen jede Form der Zusammenlegung. Beide Seiten, so der allgemeine Eindruck, gingen mit der zugespitzten Situation nicht mit der „notwendigen Verantwortlichkeit“ um. Symptomatisch scheint da das fehlgeschlagene Treffen zwischen NRW-Justizminister Krumsiek und Christa Eckes, das immerhin ein Novum in der Geschichte der RAF-Hungerstreiks gewesen wäre: Der Minister hatte den Knast in Köln-Ossendorf am Montag vergangener Woche unverrichteter Dinge wieder verlassen, nachdem Christa Eckes nicht nur die ebenfalls in Ossendorf inhaftierte Adelheid Schulz, sondern auch die Anwälte Pieter Bakker-Schut und Johannes Pausch zu dem geplanten Gespräch hinzuziehen wollte. Was bei Krumsiek offenbar als erneuter Versuch des „Draufsattelns“ ankam, stellt sich in der Version von Rechtsanwalt Pausch anders dar. Die Anwesenheit der Anwälte sei gegenüber dem Gefängnisleiter „nicht als Bedingung, sondern nur als Bitte“ formuliert worden, erklärte Pausch. Beide Anwälte seien „zufällig“ zu Gefangenenbesuchen anwesend gewesen. Deshalb habe ihre Teilnahme an dem Gespräch nahegelegen. Man hätte auf die Bitte verzichtet, hätte man geahnt, daß sie die Gesprächsmöglichkeit zerstört, versicherte Pausch. Wenige Tage später hatte Krumsiek Christa Eckes gegen ihren Willen in das zentrale Gefängniskrankenhaus Fröndenberg verlegen lassen und damit die Grundlage für ein Gespräch endgültig zerstört.

Rechtsanwalt Pausch, der auch den als Ansprechpartner der Hungerstreikenden fungierenden Helmut Pohl vertritt, widersprach nicht grundsätzlich den Erklärungen Minister Krumsieks, daß es in Köln-Ossendorf erhebliche Lockerungen bei der Isolation der Gefangenen gebe. Die politischen Gefangenen blieben jedoch nach dem in Nordrhein-Westfalen verfolgten Konzept untereinander streng getrennt. „Das ist das, was wir unter Isolation verstehen“, sagte Pausch. Sein Mandant Helmut Pohl habe natürlich mit der Hungerstreik -Erklärung von Anfang Februar „neue Signale“ setzen wollen. Die geforderte „Kommunikation mit allen gesellschaftlichen Gruppierungen“ könne nach der Zusammenlegung und nach einem Selbstverständigungsprozeß der Gefangenen untereinander aufgenommen werden.

Carl-Christian von Braunmühl, einer der Brüder des ermordeten Diplomaten, zeigte sich überzeugt, daß es trotz aller Verhärtungen „eine für beide Seiten akzeptable Lösung geben kann“. Der Staat müsse dazu die Möglichkeit akzeptieren, daß es „sowas wie RAF auch noch nach der Zusammenlegung gibt“. Auf der anderen Seite müßten die Gefangenen erkennen, daß die Zusammenlegung aller an der gegenwärtigen Aktion beteiligten Gefangenen niemals angeboten werde. Fatal sei es, wenn die Gefangenen, wie zuletzt Rolf Heissler, weiter auf die Parole „Sieg oder Tod“ setzten.

„Wer in dieser Auseinandersetzung auf Sieg setzt“, beschwor Lukas Beckmann beide Seiten, „wird auf jeden Fall verlieren.“ Und Antje Vollmer richtete den dringenden Appell an die Anwälte, die „Erfolgsaussichten in den Gefängnissen nicht falsch darzustellen und den Gefangenen redlich zu sagen, wo keine Spielräume sind“.