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„Diese Neubesetzungen sind nicht akzeptabel“

AL-Umweltsenatorin Michaele Schreyer zum Räumungsbeschluß des rot-grünen Senats für die neu besetzten Häuser  ■  I N T E R V I E W

taz: In Kreuzberg sind am Dienstag sieben Häuser besetzt und am Nachmittag wieder polizeilich geräumt worden. Das hatte der rot-grüne Senat ohne Dissens beschlossen. Die AL -Fraktion hat später kritisiert, daß diese „unüberlegte und voreilige“ Räumung nicht nötig gewesen sei.

Michaele Schreyer: Zu der Kritik „voreilig“: Wir haben seit Samstag in vielen Gremien, im Senat und in der AL, im Geschäftsführenden Ausschuß der AL, sehr intensiv diskutiert, wie wir mit den Hausbesetzungen umgehen. Wir haben uns dabei hauptsächlich auf die Besetzungen konzentriert, die es bis Montag gab. Es ging also um das besetzte Arbeitsschutzmuseum, um ein Haus in der Kreuzberger Nostitzstraße und um ein weiteres Haus in Charlottenburg. Bei diesen Diskussionen ging es nie um eine mögliche Räumung, sondern um politische Lösungen. Diese drei Häuser sind ja weiterhin besetzt. Am Dienstag morgen zeichnete sich dann die Entwicklung ab, daß sehr schnell nacheinander weitere Häuser als ganz oder teilweise neu besetzt gemeldet wurden. Und zwar solche, die nach Auskunft von Bausenator Nagel im Zuge der Modernisierung leerstehen. Wir waren im Senat - entsprechend dem gesamten vorherigen Diskussionsstand - also einhellig der Meinung, diese Neubesetzungen sind nicht akzeptabel. Dabei spielt natürlich der Zeitfaktor eine Rolle. Das heißt: Bei einem erneuten AL -internen Willensbildungsprozeß hätte man irgendwann nicht mehr von Neubesetzung sprechen können.

Nun hat ja die AL-Fraktion eine etwas eigenwillige Interpretation der gestrigen Ereignisse vorgelegt: Die AL habe zwar der „Berliner Linie“, nicht aber der Räumung zugestimmt. Was ist denn nun im Senat passiert?

Es gab keinen förmlichen Senatsbeschluß, die Häuser zu räumen. Es gab jedoch einen Konsens zur „Berliner Linie“, und es gab keinen Widerspruch von unserer Seite, daß Neubesetzungen nicht hingenommen werden.

Hieß Zustimmung zur „Berliner Linie“ nicht Räumung?

Ich muß im nachhinein sagen, daß wir in dieser Frage ein wenig Wortakrobatik betrieben haben, auch in den Diskussionen innerhalb der AL und mit der SPD zuvor. Wir haben uns nicht eingestanden, daß das Räumung bedeutet. Als SPD-Bausenator Nagel auf unserer gemeinsamen Senatspressekonferenz von Räumung sprach, war ich über das Wort „Räumung“ völlig geschockt. Dann wurde mir aber blitzartig klar, daß das die Konsequenz unserer Zustimmung zur Berliner Linie war.

Was heißt denn nun für Sie Zustimmung zur „Berliner Linie“?

Das heißt für mich: Der Senat nimmt die Neubesetzung von solchen Häusern nicht hin, die sich in einem Modernisierungsverfahren befinden.

Zumindest bei einem der Häuser ist die Modernisierung abgebrochen. Es steht seit über drei Jahren leer. Warum hat die AL nicht auf einer Einzelprüfung der Häuser bestanden?

Wir haben uns da auf den Bausenator, Herrn Nagel, verlassen. Seine Auskunft war, daß sich alle Projekte in einem ordentlichen Modernisierungsverfahren befinden. Das ist natürlich auch eine Frage der Definition, und darüber müssen wir uns im Senat ganz dringend verständigen.

Nochmal: Finden Sie die Kritik Ihrer Fraktion nun berechtigt?

Halb und halb. Wie auch unser Interview meine Position nur halb wiedergibt, weil es auf „Räumungssenatorin“ herausläuft. Die Hauptkritik richtet sich auf das Gegenteil, nämlich daß ich mich weigere, als „Hausherrin“ des besetzten Arbeitsschutzmuseums Strafantrag oder Räumungsbegehren zu stellen. Dazu stehe ich.

Interview: Ursel Sieber

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