Hausbesetzer überrollen AL

Rechte loben „Handlungsfähigkeit“ des rot-grünen Senats nach Häuserräumung / Al-Senatorin: Räumung kam überraschend / Kritik an AL-Vorstandsmitgliedern  ■  Von Hans Martin Tillack

Berlin (taz) - Angenehm überrascht zeigte sich gestern die rechte Presse von der Häuserräumung in Berlin und war voll des Lobes für die „Handlungsfähigkeit“ des rot-grünen Senats. SPD und AL schienen nicht ganz so zufrieden. Sie äußerten sich gestern widersprüchlich über ihre künftige Haltung gegenüber Hausbesetzungen. „Nach Möglichkeit“ sollten künftig Neubesetzungen „verhindert werden“, darin seien sich SPD und AL einig, sagte Senatssprecher Kolhoff (SPD) gestern der taz. Dieser Linie hätten auf einer Sitzung mit dem Regierenden Bürgermeister Momper gestern auch die AL -Senatorinnen zugestimmt. Die AL-Politiker Wolf und Ströbele beharrten dagegen darauf, daß das Vorgehen bei Neubesetzungen „im Einzelfall“ festzulegen sei. Würden Spekulationsobjekte besetzt, habe dies eine andere moralische Berechtigung als bei Sanierungshäusern, in die die Mieter zurückkehren wollten.

Eine Besetzung sei „in jedem Fall eine rechtswidrige Handlung“, widersprach dem Kolhoff. Während SPD-Bausenator Nagel noch am Montag ähnlich differenziert hatte Fortsetzung Seite 2

Interview Seite 4

wie Wolf und Ströbele verfährt er nun nach dem Grundsatz: Wo gehobelt wird, fallen Späne. Nachträglich räumte der Bausenator gestern

ein, daß bei einem der am Dienstag geräumten Häuser nicht von einem „ordnungsgemäßen Sanierungsverfahren“ gesprochen werden könne - das war ursprünglich seine Rechtfertigung für die Polizeiaktionen.

Unklarheiten hatten die erste rot-grüne Polizeiaktion von Anfang begleitet, da es die Fraktion zwei Stunden lang versäumte, das Basisbüro von dem zu informieren, was der Senat in Sachen „Besetzungen“ beschlossen hatte.

Die Rathaus-Alternativen wußten es allerdings zunächst selbst nicht genau. Sie hatten das Heft offensichtlich der SPD überlassen. Von den neuen Besetzungen fühlten sich die Alternativen „überrollt“. In der Senatssitzung hatten es die AL-Senatorinnen offenbar versäumt, das konkrete Vorgehen präzise auszuhandeln. Als SPD-Bausenator Nagel anschließend der Presse gegenüber

von „Räumung“ sprach, will AL-Senatorin Schreyer jedenfalls „überrascht“ gewesen sein - sagte sie hinterher. (Siehe auch Interview auf Seite 4.)

Unter AL-PolitikerInnen regt sich aber auch „Selbstkritik“, Kritik an den Vorstandsmitgliedern. Sie hätten darauf verzichtet, in den neben den Senatssitzungen laufenden Gesprächen mit der SPD eine Linie für den Fall von Neubesetzungen festzulegen.

Unterdessen vertieft sich der Graben zwischen Autonomen und AL. Schon am Dienstag abend wurde der Kreuzberger AL -Baustadtrat Orlowsky von den wütenden Besetzer Innen des schon seit zwei Wochen besetzten Hauses Nostitzstraße 49 an die Luft gesetzt. „Keine lila Pause für rot-grün“, unter dieser Parole demonstrierten gestern noch einmal 150 Leute in Kreuzberg.