Ende der Autonomie für Kosovo-Albaner

Parlament der südjugoslawischen Provinz Kosovo stimmt eigener Entmachtung zu / Minderheitenrechte abgeschafft / Albanisch nicht mehr Amtssprache / Demonstrationen und Auseinandersetzungen zwischen Albanern und Soldaten in Pristina und Urosevac  ■  Von Roland Hofwiler

Budapest (taz) - Das Parlament der südjugoslawischen Provinz Kosovo stimmte am Donnerstag seiner eigenen Entmachtung zu. „Ganz demokratisch“, wie die Parteizeitung Kosovos, 'Jedinstvo‘, und die Belgrader 'Politika‘ am Karfreitag gleichlautend titelten; ab nun sei Kosovo wieder das, was es einst gewesen sei: serbisches Territorium, serbisches Land, ohne „Sonderparlament“.

Die beiden Blätter, die unter der Regie des serbischen Führers und KP-Chefs Slobodan Milosevic erscheinen, machten seit Wochen überall im Vielvölkerstaat Jugoslawien unter Kroaten, Slowenen und Albanern „konterrevolutionäre Auswüchse“ aus. Seit dem Parlamentsbeschluß von Donnerstag herrscht für die beiden Gazetten „heile Welt“.

176 zu zehn Abgeordnete beschlossen, die von nahezu 90 Prozent Albanern bewohnte Provinz wolle alle Minderheitenrechte „freiwillig“ abgeben, albanisch gehöre als Amtssprache abgeschafft, in der Schule sollten die albanischen Kinder ihre Muttersprache verleugnen und nur noch serbisch sprechen. Als Reaktion auf diese Entscheidung tobte auf den Straßen von Pristina und Urosevac ein mehrstündiger Straßenkampf zwischen aufgebrachten Albanern und paramilitärischen Einheiten.

Bekanntlich herrscht seit Ende Februar in Kosovo der Ausnahmezustand. Eine nächtliche Ausgangssperre wurde verordnet und Panzer in den Zentren der größeren Städte postiert. In der Nacht zum Freitag kamen 15.000 meist serbische Soldaten erstmals zum Prügeleinsatz gegen „die konterrevolutionären Albaner, die sich mit der Auflösung der Minderheitenrechte unverständlicherweise nicht abfinden konnten“, so Radio Pristina.

In den Mittagsstunden des Donnerstag formierte sich, nach den spärlichen Informationen, die bisher aus der Provinz drangen, der erste Demonstrationszug im Städtchen Urosevac. Zumeist Frauen und Kinder forderten eine Garantie der Verfassung von 1974, der mit der jetzigen Parlamentsentscheidung aufgehobenen Verfassung. Sie hatte der albanischen Minderheit Jugoslawiens in ihrem Hauptsiedlungsgebiet, dem Kosovo, ein eigenständiges Provinzparlament und weitgehende Hoheitsrechte in kulturpolitischen und lokalen Angelegenheiten zugestanden. Dem Demonstrationszug von etwa tausend Frauen schlossen sich bald 6.000 Bürger des Städtchens an. Was danach passiert sein soll, ist nur über die staatliche Nachrichtenagentur 'Tanjug‘ zu erfahren: Die DemonstrantInnen hätten zur Schußwaffe gegriffen, was die anrückenden Soldaten dazu veranlaßte, von Pistolen und Knüppeln Gebrauch zu machen. Mit Hilfe von Wasserwerfern und Tränengassalven sei die Ruhe gegen 22 Uhr wieder hergestellt worden. Etwa 20 AnführerInnen wurden festgenommen. Verletzte habe es auf beiden Seiten gegeben.

Ein ähnliches Bild ergab sich laut 'Tanjug‘ in Pristina. Dort hätten vor allem Studenten mehrmals gewalttätige Provokationen ausgelöst, die im Keim erstickt worden seien.

Die Belgrader Führung zeigt sich zudem entschlossen, die verhängte Arbeitspflicht gegenüber Streikenden durchzusetzen. Gegen 265 Bergleute der Gruben von Goles wurden Ermittlungen eingeleitet. Arbeitsverweigerung wird nach den „Sondermaßnahmen“ mit sofortiger Entlassung oder zwei Monaten Haft bestraft.

Unabhängigen Informanten zufolge haben sich selbst in den kleinsten Dörfern der Provinz Albaner versammelt und, trotz paramilitärischer Präsenz, die serbische Zentralregierung und vor allem Slobodan Milosevic angegriffen, der nur mit Manipulationen die Parlamentsentscheidung herbeigeführt habe. Aus Kreisen slowenischer Journalisten ist weiterhin zu erfahren, daß Tausende verdächtiger Personen in den letzten Tagen in Vorbeugehaft genommen wurden. Die Mehrzahl der 188 Abgeordneten des Kosovo-Parlamentes sei von der zentralen Geheimpolizeizentrale unter Druck gesetzt worden, der Parlamentsauflösung zuzustimmen.

Aus der Luft gegriffen scheinen diese Gerüchte keineswegs zu sein. Wiederholt wiesen kommunistische Parteiblätter, die sich bisher der Kontrolle Milosevics entziehen konnten, daraufhin, daß Milosevic mit stalinistischen Methoden brutal seine Gegner ausschalte. Erinnert sei an Fuad Muhic aus dem bosnischen ZK, der den Mut aufbrachte zu erklären: Er kenne seit Stalin nur einen einzigen Mann, der eine Partei brutalst zu säubern verstehe, das sei Slobodan Milosevic, „ein neuer Mussolini“.

Das politische Wochenmagazin 'Danas‘, fest in der Hand des kroatischen ZK, bezeichnete die Albaner unter serbischer Herrschaft als die neuen „Juden Jugoslawiens“.