Osterappell 1989

Offener Brief zum Hungerstreik der RAF-Gefangenen an die politisch Verantwortlichen und an die RAF  ■ D O K U M E N T A T I O N

Die Gefangenen der RAF sind in einen Hungerstreik für ihre Zusammenlegung getreten und haben in einer Erklärung ihr Anliegen formuliert, „an der gesamten gesellschaftlichen Diskussion teilnehmen zu wollen“. Wir sehen hierin ein Signal und begreifen es als Chance, den 18jährigen Weg von Gewalt und Gegengewalt zu beenden und Raum zu schaffen für eine neue Offenheit zur geistigen und politischen Auseinandersetzung.

Wir appellieren an die politisch Verantwortlichen, dieser Chance einen Weg zu ebnen und die Voraussetzungen für Gespräche und Diskussionen unter den RAF-Gefangenen und mit Menschen von außen zu schaffen. Wie sonst soll verhindert werden, daß es wiederum innerhalb und außerhalb der Gefängnismauern Tote gibt und daß immer mehr junge Leute über den Protest gegen die inhumanen Haftbedingungen zur RAF und ihrem Umfeld Zugang finden?

Wir nehmen die Erklärung der RAF-Gefangenen vom 1.Februar zum Hungerstreik sehr ernst. Wir appellieren an die Gefangenen der RAF, die Haltung des alles oder nichts aufzugeben und die Bereitschaft zur Diskussion auch in der praktischen Umsetzung zu unterstützen. Es geht nur in direkten Gesprächen. Sie sind jetzt möglich und notwendig.

Wir appellieren an die politisch Verantwortlichen, an die Ministerpräsidenten der Länder und an die Justizminister:

Warten Sie nicht länger mit einem deutlichen Signal, das Leben erhalten hilft und niemanden das Gesicht verlieren läßt. Wir sind überzeugt, daß es trotz aller Verhärtungen eine für beide Seiten akzeptable Lösung geben kann und geben muß.

Wir appellieren, nicht länger auf den besonderen Haftbedingungen für die RAF-Gefangenen zu beharren und durch eine Zusammenlegung in größeren Gruppen die Voraussetzungen für Gespräche und Diskussionen unter den Gefangenen der RAF und Menschen von außen zu schaffen. Wir hoffen dringend darauf, daß einer von Ihnen als erster den Mut hat, ein solches Angebot zu machen.

Heinrich Albertz, Dr. Thea Bauriedl, Lukas Beckmann, Rene Böll, Prof.Dr. Karl Bonhoeffer, Dr. Carlchristian von Braunmühl, Dr. Claudia von Braunmühl, Hilde von Braunmühl, Dr. Hubertus von Braunmühl, Dr. Wilhelm von Braunmühl, Prof.Dr. Dieter Georgi, Ralph Giordano, Antonie Heidemann, Birigt Laubach, Prof.Dr. Jürgen Moltmann, Margot Overath, Prof.Dr. Ulrich K.Preuß, Astrid Proll, Dr. Kurt Scharf, Prof. Dr. Dorothee Sölle, Willi Stöhr, Dr. Antje Vollmer