Projekte wollen „zurückbesetzen“

Frankfurter Linke diskutierten ihr Verhalten gegenüber Hungerstreikkomitee / Besetzte Projekträume in der Mainzer Landstraße sollen „unterhalb der Schwelle der Polizei und friedlich“ zurückgenommen werden  ■  Aus Frankfurt Heide Platen

Die Chilenen sind sauer, den Kurden aus der Türkei reicht es schon seit zwei Wochen, multikulturelle Gruppen und alternative Projekte wehren sich. Rund 200 Menschen versammelten sich am Mittwoch abend in der Mainzer Landstraße 147 in der Nähe des Frankfurter Hauptbahnhofs. Dieses Haus, in dem sie alle untergebracht sind, ist seit fast drei Wochen von einer Gruppe besetzt, die zuerst in zwei Räumen der Grünen ein Informationsbüro zum Hungerstreik der RAF-Gefangenen einrichtete. Im Zuge der Besetzung ergriff der grüne Landesvorstand die Flucht. Die BesetzerInnen breiteten sich auf der ganzen Etage aus. Die Grünen drohten mit der Polizei. Die kam am vergangenen Dienstag nach einem Brandanschlag auf das Frankfurter Gericht von alleine, durchsuchte das Grünen-Büro und stellte die Personalien der Besetzer fest (siehe taz vom 23.März 1989).

Die Kühl-KG verwaltet das ehemalige KBW-Haus, das der Belegschaft kollektiv gehört. Sie rief, zusammen mit EX-KBW -Chef Joscha Schmierer, am Mittwoch abend zur eiligen Brandversammlung. Schmierer mußte sich dabei energisch gegen ein Flugblatt der BesetzerInnen wehren. Sie hatten darin behauptet, er habe der Polizei bei der Durchsuchung geholfen, indem er für sie eigenhändig eine Eisentür aufsägte. Schmierer schimpfte dieses Flugblatt „Lüge“ und „Schweinerei“. Tatsächlich war die Tür erst zwei Stunden nach Mitternacht entfernt worden, als die Durchsuchung bereits beendet war. Das Verschließen dieser Tür durch die BesetzerInnen und deren „Gesichtskontrolle“, so eine Frau aus der Belegschaft, habe sich schon vorher schließlich nicht gegen die Polizei, sondern gegen sie gerichtet.

Die rund 20 BesetzerInnen, die zur Diskussion erschienen, erklärten eher drucksend: „Wir nehmen das zurück.“ Ihren Anspruch auf die ganze Etage wollten sie jedoch nicht aufgeben. Als sie später dem grünen Stadtverordneten Daniel Cohn-Bendit vorwarfen, seine Partei arbeite „mit dem Staatsschutz zusammen“, schlugen die Wellen wieder hoch. Nach einer Rangelei verließen sie den Saal und zogen sich in ihre besetzten Räume zurück. Die Versammlung einigte sich nach hitziger Diskussion darauf, den BesetzerInnen eine Frist bis zum 5.April einzuräumen. Bis dahin sollen sie sich auf die ihnen von Anfang an angebotenen zwei Räume im zweiten Stock des Gebäudes zurückziehen und ihr „Dikat“, die Forderung nach der ganzen Etage, aufgeben. Verhandelt werde darüber nicht mehr, sondern nur noch „zurückbesetzt“. Nach dem 5.April soll die „Art und Weise“ der Rückbesetzung diskutiert werden. Die Versammlung war sich einig, daß dies „unterhalb der Schwelle der Polizei“ und „friedlich“ geschehen solle. Die Projekte werden die Räume dann „öffnen und so ausfüllen, daß die Besetzer keinen Platz mehr darin haben“. Außerdem sollen sich die BesetzerInnen öffentlich für ihre Anschuldigungen gegen Joscha Schmierer entschuldigen. Die Versammelten hatten vorher unter Wortführung von Cohn-Bendit und Schmierer mehrheitlich betont, daß sie sich ihren Widerstand gegen den Paragraphen 129a und gegen die Haftbedingungen politischer Gefangener nicht von den Besetzern „diktieren“ lassen wollen.