Panzergleis im Sonnenschein

■ Mehr als tausend OstermarschiererInnen inspizierten gestern bei Tage das militärische Sondergleis, auf dem nach Redaktionsschluß Panzer am Rollen gehindert werden sollen

Ostermontags-Anmarsch vom Feinsten: Bei herrlichem Frühlingswetter fanden gestern zu Fuß, zu Rad oder per PKW über tausend „FriedensfreundInnen und - freunde“ den Weg zur Kaserne nach Garlstedt. Sie alle hatten die Gelegenheit, das fertiggestellte Sondergleis für US-Panzer ein letztes Mal zu besichtigen und zu begehen, bevor Montag nacht in einer heimlichen Einweihungsaktion die ersten Panzer den Bahnkörper entlang rollen würden, um ins Manöver zu kommen.

Zuerst trauten sich gestern ostermarschierende Kinder auf die „Panzertrasse“ in Garlstedt. Sie spielten mit den Schottersteinen oder balancierten mit dem Springseil die Schienen entlang, während die großen OstermarschiererInnen sich noch an der Steilböschung über dem Bahnkörper von den Strapazen der Anfahrt ausruhten oder sonnten. Nach dem Friedens-Gottesdienst wagten sich dann auch rund fünfhundert Große hinunter zu den

tiefliegenden Schienen und setzten immerhin eine kleine Weiche außer Betrieb. Doch beäugt von zahlreichen PolizistInnen entschlossen sie sich, vor dem Torgitter der Panzerverladerampe kehrt zu machen und an der Kundgebung vor dem Kasernentor teilzunehmen.

Ein anonymer Anrufer hatte das Bremer Friedensforum von der bevorstehenden nächtlichen „Einweihung“ der Panzertrasse in Kenntnis gesetzt. Er hatte auch bereits angekündigt, mit welcher Gegenwehr die DemonstrantInnen zu rechnen hätten. 500 PolizistInnen und mindestens zwanzig Feldjäger seien im Anmarsch, damit die US-Panzer reibungslos die Kahlschlagstrecke entlang rollen könnten.

RednerInnen forderten lautstark den „den Abzug der US -Brigade statt der Inbetriebnahme des Panzergleises“. Ursula Prahm ermunterte die ZuhörerInnen, um Mitternacht zurückzukehren und dabei zu sein, wenn die ersten

Leerwaggons Richtung Panzerverladerampe einfahren: „Unser Ziel ist, daß hier keine Panzer rollen.“

Der Kabarettist Horst Scheibner und der Schauspieler Will Quadflieg riefen unter den ZuhörerInnen die Vision der von Massenvernichtungsmitteln bedrohten Weltkugel wach. Ein munterer Rekrut, Panzerfahrer aus Schwanewede, stieg danach spontan ans Redepult und erzählte von seinen Erfahrungen in der Kaserne: „Das ist ganz, ganz übel. Macht alle was gegen den Scheiß.“

Zum Abschluß rief ein Redner den DemonstrantInnen zu: „Auf Wiedersehen.“ Er meinte nicht den Ostermarsch bei Tage in einem Jahr, sondern die gestrige nachösterliche Nacht, „null Uhr“. Wieviele OstermarschiererInnen es gestern ab Mitternacht mit dem Polizei- und Feldjägeraufgebot aufgenommen haben, stand bei Redaktionsschluß nicht fest.

Barbara Debus