Wirbel um MdB Mechtersheimer

Friedensforscher soll als „Lobbyist“ für libyschen Staatschef Gaddafi tätig sein / Mechtersheimer bestätigt „Beratertätigkeit“ für libysche Stiftung / Die defensive Argumentation verstärkt noch Spekulationen  ■  Von Petra Bornhöft

Berlin (taz) - Nach einer wenig erhellenden Interviewserie am Wochenende entfloh der parteilose Bundestagsabgeordnete aus der Fraktion der Grünen, Alfred Mechtersheimer, gestern dem Presserummel um seine Person. Ungewohnt spitz hatte die 'Süddeutsche Zeitung‘ in ihrer Samstagsausgabe dem Politiker vorgeworfen, als „Lobbyist“ für Gaddafi tätig zu sein. Mechtersheimer bestätigte, an einer in Vaduz (Liechtenstein) registrierten Stiftung beteiligt zu sein, und wollte „nicht ausschließen“, daß diese Organisation von der libyschen Regierung mit zehn Millionen Dollar finanziert wird. Alle weitergehenden Fragen beantwortete er exakt nach dem Verhaltensmuster der Bundesregierung in der Affäre um die Chemiefabrik in Rabta: Zugegeben wird nur das, was ohnehin bekannt ist. Mit Ausnahme von Überschrift und Tenor enthalte der Bericht „nichts ausdrücklich Falsches“, so Mechtersheimer zur taz.

Demnach hat Mitte Dezember 1988 die erste Sitzung des Stiftungsrats in Zürich stattgefunden, zu der der Abgeordnete jenen Rechtsanwalt schriftlich eingeladen hatte, der für die juristische Seite der Stiftungsgründung verantwortlich war. Daß die Organisation ausgerechnet ihren Sitz in Liechtenstein hat - bekannt als Domizil für Spendenwaschanlagen und andere kriminelle Projekte begründete Mechtersheimer nicht weiter. Statt dessen räumte er ein, daß der Name „M.A.G. Stiftung für Frieden und Solidarität“ sich auf die Initialen von Muammar el-Gaddafi (auch: Al Ghaddafi) bezieht.

Zu bedeutsameren Fragen des konkreten Zwecks der Stiftung dagegen nichts als Allgemeinplätze: Sie solle der „Förderung des neuen Denkens dienen. In Libyen findet ja auch so etwas wie eine Perestroika statt.“ Er, Mechtersheimer, bemühe sich, daß „Libyen wieder dichter an die Völkergemeinschaft herangeführt werde“. Militärisch maulfaul verweigerte der Exoberstleutnant indes jede Auskunft über die geplanten Projekte der Stiftung, organisatorische Strukturen und die Kontrolle der Gremien. Auf die Frage der taz, warum Mechtersheimer so defensiv argumentiere, antwortete er kurz und leer, er werde „künftig offensiv auftreten“.

Von ähnlichem Gehalt auch die erste Reaktion der Bonner Grünen, deren Fraktionssprecherinnen Vollmer und Oesterle -Schwerin sich zu der Aussage verstiegen: „Die in der 'Süddeutschen Zeitung‘ erhobenen Vorwürfe gegen Alfred Mechtersheimer sind sehr ernst“. Ein Urteil, das verbreitet wurde, bevor die Damen mit Mechtersheimer gesprochen hatten. Nach Ansicht der Grünen-Abgeordnete Vennegerts ist ein Fraktionsausschluß des Parteilosen „ernsthaft in Erwägung zu ziehen, wenn auch nur ein Teil der Vorwürfe zutreffen sollte“. Vennegerts verlangte eine Sondersitzung der Fraktion unmittelbar nach Ostern. Dagegen entschied der engere Fraktionsvorstand, zunächst „Vorgespräche“ mit ihrem Kollegen zu führen, ihn nach seiner konkreten Rolle in der Stiftung und möglichen Zuwendungen zu befragen. Vom Ergebnis dieses für die laufende Woche geplanten Gespräches werde es abhängen, ob noch während der Osterpause eine Fraktionssondersitzung einberufen werde. Daß der Zeitungsbericht über Mechtersheimer bei Bonner Grünen zu „schockartigen Reaktionen“ geführt hat, ist entweder eine Erfindung der 'Deutschen Presseagentur‘ oder aber ein Ausdruck extrem eingeschränkter Wahrnehmungsfähigkeit der Ökopartei. Zum einen gehört die Verteufelung Gaddafis zum bekannten Repertoire bundesdeutscher Medien, zum anderen sind die entscheidenden Fragen zu der Stiftung noch unbeantwortet. Darüber hinaus ist Mechtersheimers Engagement für Libyen seit Jahren bekannt - und umstritten bei den Grünen. Zweimal reiste der Politiker nach Tripolis und traf zuletzt im April 1988 mit Gaddafi zusammen. Für einen mittleren Knatsch in seiner Fraktion sorgte Mechtersheimer in der Libyen-Debatte des Bundestages am 17. Februar. Dort behauptete er, es gebe nicht den geringsten, harten Beweis dafür, daß Libyen in der Chemiefabrik Rabta Chemiewaffen produzieren wolle und dabei die Hilfe deutscher Firmen erhalte. Gegenüber der taz bekräftigte Mechtersheimer am Wochenende seine Ansicht, daß sich hinter der Auseinandersetzung um Rabta der Konkurrenzkampf der weltweiten Pharmaindustrie verberge. Eine Theorie die um einiges weniger durch Beweise gedeckt ist als jene, in Rabta entstehe mit deutscher Entwicklungshilfe ein Werk zur Chemiewaffenproduktion.