Heulen und Wimmern in Bremens Luft

■ Undurchschaubar wird der Wellensalat im bremischen Luftraum / Frequenzen kommen und gehen durch Kanäle / Öffentlich- rechtliche und private Privatsender schicken ihre neuen TV-Programme in die Luft und, wenn man es recht dreht, sie kommen an

Was ist eigentlich los hier? Es wirbelt und heult und knuddelt in der Luft und keiner merkt etwas. Nur wenn man am Abend am Programmknopf der Glotze dreht, dann wird das Rauschen nicht, wie gehabt dreimal, sondern schon ganze fünfmal von Programmen unterbrochen. Da fühlt man sich wie im Kabelschlaraffenland und hat noch nicht einmal Geld dafür bezahlt.

Gemein ist das, gemein gegenüber denjenigen, die teures Geld haben ausgeben müssen, um sich verkabeln lassen zu dürfen, die sich obendrein noch ein neues TV-Gerät gekauft haben, das die Signale aus dem Kabel richtig zu decodieren versteht. Teuer war das alles und ist so überflüssig.

In der ersten Hälfte der 80er Jahre hatte der Hauptzweck der Schwarz-Schillingschen Verkabelungspolitik darin bestanden, das Bundesverfassungsgericht zu übertölpeln, das in den 70er Jahren befunden hatte, daß bei der bestehenden Knappheit an Fre

quenzen, diese nur öffentlich-rechtlich zu nutzen seien. Mittels der Verkabelung mit dem Kupferkabel, dessen flächendeckende Verlegung so aufwendig wäre, daß nie eine im Ernst daran gedacht hätte und das außerdem technologisch weit überholt war, mittels diesen Kabels wurde der Satz von den knappen Frequenzen geknackt. Im Kabel gibt es nicht die Frequenzübersprechungen, die den Äther so eng machen, im Kabel lassen sich die verschiedenen Kanäle enger zusammenrücken, neue werden möglich, das öffentlich -rechtliche Rundfunkmonopol kippt. Über das Kabel kamen die ersten privaten Programmanbieter und siehe da, als das Kabel partout nicht die massenhafte Nachfrage finden wollte, die ein privates Radio-oder Fernsehprogramm erst werbetauglich und damit tragfähig machen könnte, fand die Post plötzlich auch in der Luft, unter den terrestrischen Frequenzen noch Platz für den ein oder anderen neuen Kanal, darunter diejenigen, die jetzt unser Fernsehprogramm aufblähen.

Davon profitieren nun die anderen der Bremer, sie können sich freuen, dürfen sie doch seit dem 15.2.89 neben dem gewohnten Programm auf zwei weiteren Ka

nälen den kulturlastigen öffentlich rechtlichen Kabelkanal 1 plus (ARD) sowie das private Programm Sat 1 (Verlegerfernsehen, Springer) frei Haus empfangen. Der Landesrundfunkrat wird heute voraussichtlich beschließen, den Kanal, den bisher Sat 1 nutzte, für die kommenden zwei

Monate RTL plus (Radio Luxemburg, Bertelsmann) zur Verfügung zu stellen und ab April einen weiteren Kanal für die Ausstrahlung des ZDF-Kabelprogrammes 3 sat zu nutzen.

Gerüchteweise hört man derweil, daß bei der Bundespost ein Koordinierungsverfahren über

eine vierte Frequenz eingeleitet sei, um im August, wenn der derzeitige sechsmonatige „Betriebsversuch“ der neuen Fernsehsender, ein Etikettentrick, mit dem sich die Bürgerschaft aus dem Entscheidungszwang rettete, in den sie durch die stillschweigende und schlecht vermittelte Vorar

beit des Senats geraten war, abgeschlossen sein wird, nicht einen der Anbieter vor die Tür setzen zu müssen. Sollte das nämlich RTL plus sein, die Fußballhaie, würde bei der anhaltenden Spielstärke der hiesigen Mannschaft, ein schweres Murren das Bremer Wahlvolk erschüttern.

step