Panzer rollten nach Mitternacht

■ 150 OstermarschiererInnen wollten dabei sein, wenn die ersten US-Panzer auf der „Panzertrasse“ rollen / Polizisten aus ganz Niedersachsen nachts am Bahndamm / Baum-Blockaden behinderten Leerzug

Eine laue Frühlingsnacht draußen in der dunklen Pampa. Auf einer Brücke der Bundesstraße 6, 28 km vor den Toren Bremens bewegen sich dunkle Gestalten gespenstisch im Fackelschein, weiße Polizisten-Helme heben sich von ihnen ab: 150 OstermarschiererInnen haben sich kurz vor Mitternacht ein zweites Mal an diesem Ostermontag aufgemacht, das Panzergleis unter der B6 in Augenschein zu nehmen. Anonyme Anrufer hatten ihnen verheißen, in dieser Nacht unmittelbar nach den Ostermärschen, spätestens um 4 Uhr morgens, würde der erste Panzerzug der US-Army das militärische Sondergleis entlang rollen.

Vor allem Jugendliche waren gekommen: OberschülerInnen aus Bremen, junge Anarchos aus Osterholz-Scharmbeck, KommunistInnen unter roter Fahne. Dazwischen vereinzelt die angegrauten AktivistInnen aus kirchlichen Friedensgruppen und der „Bürgeraktion Garlstedter Heide“, die die ganz Jungen zwar etwas skeptisch beäugen, aber ihnen auch zugute halten, daß sie „für Stimmung sorgen“. Da werden Lagerfeuer angezündet, Tamborine und Trommeln gespielt und Lieder auf den „Bombenzug“ nach der beschwingten Melodie „Karneval in Rio“ gedichtet.

Aus einem mobilen Anhänger heraus verkauft ein geschäfts

tüchtiger Zeitgenosse Bratwürste und Getränke. Er steht überall dort, „wo was los ist“: Osterfeuer, Ostermärsche, Moto-Cross-Rennen.

Anwesend auch die Polizei, die ihre Gesamtstärke geheim halten will. Schon am Nachmittag hatten hunderte BeamtInnen aus den unterschiedlichsten Bezirken Niedersachsens das Gleis bewacht. Eine rein männliche Hundertschaft aus den Landkreisen Celle

und Soltau-Fallingborstel steht bei Nacht in Wechselschicht am Brückenabschnitt. Hundeführer sind auf dem 8,6 Kilometer langen Bahndamm verteilt. Polizeiführer Heise verhandelt mit den DemonstrantInnen. Als DemonstrantInnen eine spontane Sitzblockade machen, um einem Army-Lastwagen an der Durchfahrt auf der „B 6“ zu hindern, bringt der Polizeiführer den soldatischen LKW-Fahrer in bestem

Schulenglisch dazu zu wenden: „This is a demonstration.“ Die BlockiererInnen klatschen sich Beifall - zum einzigen Mal in dieser Nacht. Denn als gegen 1 Uhr eine einsame E-Lok mit vielen vorsichtigen Zwischenstopps die Strecke auf mögliche Hindernisse abfährt, kommt es zu keiner spontanen Blockade. Nur Spucke fällt den Bahndamm hinunter.

Weil sich das Warten auf den Panzerzug stundenlang hinzieht,

wagen Anti-MilitaristInnen - auch ohne Zug - eine Blockade des Gleises. Für Minuten sitzen Menschen auf den Schienen, dann lassen die Hundeführer ihre Tiere bedrohlich bellen und die BesetzerInnen werden von dem Gleis gezerrt. Nun stehen die Beamten eine Viertelstunde lang auf den Schienen, um das Gleis vor den BlockiererInnen zu bewachen und kriegen höhnisch zu hören: „Bullenblockade.“

Immer mehr ProtestlerInnen werden schließlich das Warten leid und machen sich auf den Heimweg. Auf der Brücke läd sich die Stimmung zwischen den letzten fünfzig Aufrechten und den Polizisten aggressiv auf. Als gegen 4 Uhr der erste Leerzug mit den Tiefladern und der Lok langsam unter der Brücke durchfährt, haben die Polizisten mit „Knüppel frei“ die DemonstrantInnen längst beiseite geschafft. Eine junge Frau erleidet eine Gehirnerschütterung, fünf Menschen werden zur Personalienfeststellung verhaftet. „Unbekannten Störern“ gelingt es allerdings, auf einem anderen Streckenabschnitt mit zwei kräftigen Baumblockaden die Fahrt des Leerzuges zu unterbrechen. Als dieser Zug schließlich mit Panzern beladen losfährt, ist es neun Uhr früh. Ein einsamer Demonstrant hält noch Wache. Er hat zehn Jahre vergeblichen Kampfes gegen die Trasse hinter sich.

Barbara Debus