Wissenschaft und Technik: KOLUMBUS' VERMÄCHTNIS

Als der weiße Mann die Neue Welt eroberte, schleppte er Krankheiten ein, gegen die Amerikas Indianer nicht gewappnet waren. Masern, Pocken und das Grippevirus forderten viele Todesopfer unter den Ureinwohnern. Wenig ist bisher von Krankheiten bekannt, die sich die Weißen bei den Indianern holten und zurück nach Europa brachten. Einige Historiker hegen schon lange den Verdacht, die Syphilis sei eine Krankheit der Neuen Welt. Jetzt haben amerikanische Forscher Beweise dafür gefunden. Bereits die Schiffsbesatzung von Kolumbus‘ erster Reise, mutmaßen die Anthropologen, hat sich in der Karibik bei den Indianern infiziert und den Erreger nach Spanien gebracht. Kurz nach Kolumbus‘ Rückkehr aus Amerika belagerten spanische Fremdenlegionäre unter Karl dem Achten aus Frankreich Neapel. Während der Belagerung wurden die Legionäre von einer schweren Krankheit heimgesucht. Historiker vermuten, daß es sich um Syphilis gehandelt haben muß. Nach ihrer Entlassung verbreiteten die Legionäre den Erreger über ganz Europa. Hinweise, daß Syphilis in der Neuen Welt entstanden ist, geben neue Untersuchungen an Skeletten. Das Syphilis erregende Bakterium hinterläßt typische Läsionen im Skelett seiner Opfer. Besonders die Schädel und langen Arm- und Beinknochen sind stets durch diese eindeutigen Einkerbungen gekennzeichnet. Die Anthropologin Brenda Baker von der Universität Massachusetts entdeckte Syphilis-Läsionen an zahlreichen in Amerika aufgefundenen Skeletten, die mit Sicherheit auf die Zeit vor Kolumbus datiert werden konnten. Jedoch in der Alten Welt wurde sie nicht fündig. Dort zeigten Skelette von der Zeit vor 1492 keine Syphilis-Läsionen. Die frühesten Syphilis -Fälle traten in Südamerika vor 3.000 bis 4.000 Jahren auf. Um 600 nach Christi war die Krankheit auch in Nordamerika schon weit verbreitet. Die Forscher sind der Meinung, daß der Erreger früher weit weniger virulent war, nur eine leichte Infektion hervorrief und auch auf nicht-sexuelle Weise verbreitet wurde. Auch auf die Frage, wie das Bakterium zuerst auf den Menschen übertragen wurde, gibt es bereits eine Antwort: Syphilis stammt von den Bären. Ein Bärenskelett, das im amerikanischen Bundesstaat Indiana ausgegraben wurde, zeigt die gleichen Syphilis-Läsionen wie menschliche Skelette. Obendrein befanden sich in dem 11.500 Jahre alten Bärenknochen Stoffe, die typischerweise während Immunreaktionen auf den Syphiliserreger entstehen. Die Theorie, daß Krankheiten sich erst bei Tieren entwickeln und später in veränderter Form auf den Menschen übertragen werden, ist nicht neu. Auch die Vorfahren des Aids-Virus sollen bei den Affen in Afrika zu Hause sein. Scientific American