Hoffnung auf Hafterleichterung

Vertreter der spanischen sozialistischen Regierung verhandeln in Algerien mit ETA-Mitgliedern / Dabei könnten auch Vollzugserleichterungen und vorzeitige Entlassungen gefangener Etarras herauskommen  ■  Aus Madrid Antje Vogel

Skeptisch sind sie immer noch. Doch macht sich seit Januar unter Spaniens gefangenen ETA-Mitgliedern gedämpfte Hoffnung breit. Durch die Aufnahme von Gesprächen mit der ETA habe der spanische Staat einen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg einmaligen Schritt vollzogen, heißt es in einer Verlautbarung, die die 461 in Spanien gefangenen Etarras in diesem Monat herausgaben. Denn dadurch habe er „den revolutionären Charakter einer bewaffneten revolutionären Organisation anerkannt“.

So würden sich die Vertreter der Madrider Regierung, die derzeit in Algerien mit Mitgliedern der ETA über eine Lösung für den Konflikt im Baskenland sprechen, zwar nicht ausdrücken, doch scheint erstmalig ein ernsthaftes Interesse an tatsächlichen Verhandlungen zu bestehen. Die ETA geht mit der Forderung nach Umsetzung der „Alternative KAS“, einem Fünf-Punkte-Programm, das die Selbstbestimmung des Baskenlands, den Abzug der spanischen Polizei und Guardia Civil aus Euskadi sowie die Eingliederung der Provinz Navarra als Teile Euskadis in die Gespräche, die Regierungsseite fordert die Waffenniederlegung durch die ETA. Über die Verhandlungen wird Stillschweigen bewahrt. Auf scheinbaren Nebenschauplätzen hingegen zeigt sich bereits Entgegenkommen. So erklärte das Justizministerium Ende Februar, die gefangenen ETA-Mitglieder, die gutes Betragen an den Tag legen, könnten eventuell in Zukunft mit denselben Hafterleichterungen rechnen wie die übrigen Häftlinge.

Etarras waren bislang von Vollzugserleichterungen wie Erhöhung der Stundenzahl für den Hofgang, unüberwachte Besuche und Freigang ausgeschlossen. Auch der offene Vollzug, der den Gefangenen 48 Tage im Jahr „Urlaub“ vom Knast gewährt, oder ein erleichterter Vollzug, der darin besteht, daß die Gefangenen nur noch im Knast übernachten müssen, war den ETA-Gefangenen bislang verwehrt. Nun wird sogar über die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Haftstrafe öffentlich nachgedacht.

Die angekündigten Lockerungsmaßnahmen sind freilich zwiespältig, denn sie sind an das Wohlverhaltender Etarras gekoppelt. Für die Gefangenen, die wegen sogenannter „Blutdelikte“ verurteilt wurden, kämen diese Lockerungen zunächst ohnehin nicht in Betracht. So protestierten auch ETA-Häftlinge, als eine ihrer Genossinnen in den Genuß der Vollzugserleichterungen kommen sollte, da dies die Enheit der Gefangenen schwäche. Ob es diese Einheit tatsächlich gibt, ist allerdings fraglich.

Das spanische Gesetz sieht die Möglichkeit der Wiedereingliederung von „reuigen“ Etarras vor. 50 Gefangene, die das Justizministerium als wiedereingliederungswillig erachtet, sind im vergangenen Jahr von den anderen Etarras getrennt worden, um sie dem politischen Druck durch ihre gefangenen Genossen zu entziehen, wie das Justizministerium erklärte - um die Einheit der Gefangenen zu zerstören, wie die ETA dagegen hält. Die übrigen Etarras könnten nur von einem Erfolg bei den Gesprächen in Algerien eine baldige Haftentlassung oder zumindest -erleichterung erwarten.

Im vergangenen November hatten gefangene Etarras in französischen Knästen einen zunächst unbefristeten Hungerstreik begonnen, um Haftverbesserungen zu erreichen. Er war durch einen Protest- und Kommunikationsstreik ihrer gefangenen Genossen in Spanien unterstützt worden. Fünf Wochen später war der Streik in beiden Ländern allerdings erfolgflos abgebrochen worden.

Was sie auf dem Wege des Protestes nicht erreicht haben, könnten nun die Gespräche in Algerien bewirken. Bislang verhandelten dort auf Regierungsseite der Staatssekretär für Sicherheitsfragen, Rafael Vera, und auf ETA-Seite Anton Etxebeste. Die ETA möchte künftig jedoch politische Berater von der ihr nahestehenden baskischen Partei Herri Batasuna direkt in die Verhandlungen mit einbeziehen.

Der Waffenstillstand, der zunächst nur bis zum 26. März, dem baskischen Nationalfeiertag, befristet war, ist gestern bis zum 24.Juni verlängert worden (siehe aktuelle Seiten). Damit kommen die Verhandlungen jetzt in ihre „zweite Phase“, in der möglicherweise - so lautet eine Forderung der ETA auch drei in Frankreich inhaftierte ETA-Chefs an den Gesprächen beteiligt werden.