Carl-Ludwig Wagner: Auch ohne Vergangenheit in der Waffen-SS stramm rechts

Das Interview des rheinland-pfälzischen CDU-Ministerpräsidenten, das den „Republikanern“ die generelle Koalitionsfähigkeit bescheinigte, ist kein Ausrutscher gewesen  ■ P O R T R A I T

Mainz (taz) - Selbst Mitglieder der Jungen Union sehen in ihm nur noch „einen Mann der zweiten Reihe“, eine Zwischenlösung bis zu den nächsten Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz. Durch seine „weiße Weste“ schimmern Schmutzränder. Ministerpräsident Carl-Ludwig Wagner aus Rheinland-Pfalz gehört zu den Rechtsaußen der CDU, zu den Deutschnationalen. Bei ihm zu Hause in Trier spürte man das schon lange. Nun aber horcht auch der Rest der Republik auf, besonders die rechtsextremen „Republikaner“ (REPs). Wagner, Jahrgang 1930, war kein Mann der Waffen-SS wie Franz Schönhuber. Dennoch ist sein Südwestfunk-Interview, in dem er den „Republikanern“ Koalitionsfähigkeit „mit jedem“ bescheinigte, nicht als „einmaliger Ausrutscher“ gewertet worden. Ebensowenig ist sein Ausfall gegen Grüne und AL („kriminell“) als Blackout zu sehen.

Der Ministerpräsident bekundete seine Sympathie für die REPs wohl erstmals in der Abgeschiedenheit der Eifel - auf einem CDU-Kreisparteitag in Daun. Die 'Dauner Zeitung‘ vom 14. März 1989 zitiert ihn indirekt: „Indes seien die 'Republikaner‘ verfassungstreuer als beispielsweise die AL in Berlin.“ Aussiedler bereicherten, so Wagner, „das deutsche Volk“. Ein ganz anderes Thema seien dagegen die „Asylanten“. 'Dauner Zeitung‘: „Ob vielleicht eine gemischtrassige Gesellschaft in der Bundesrepublik wachsen soll, die dann Probleme mit sich bringt, wie sie in den USA sichtbar werden?“

Wirkt Wagner in privaten Gesprächen auch belesen, charmant und witzig - sobald die Rede auf Politik und Partei kommt, so Kommunalpolitiker in Trier, verhärten sich Miene wie Meinung. Ein Trierer: „Wagner - privat ein Dr.Jekyll, politisch ein Mr.Hyde!“ In dieses Bild paßt, was der „Bund der Antifaschisten VVN“ über ihn herausfand: Auf dem „Tag der Soldaten- und Traditionsverbände“ im Oktober 1986 hielt er - damals als Vize des Ministerpräsidenten Bernhard Vogel (CDU) - offiziell eine Rede vor der ultrarechten „Gemeinschaft der Soldaten- und Traditionsverbände Rheinland -Pfalz und Saarland“. Zu dieser Gemeinschaft zählt auch die „HIAG“ - die Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS, wozu wiederum Vertreter der „Division Reichsführer SS“ gehören.

Am 30. März 1976 feierten Bonner Politiker in der Parlamentarischen Gesellschaft, 1. Stock. Gastgeber war Wagner, damals CDU-Bundestagsabgeordneter. Er nahm an jenem Tag vorzeitig Abschied von Bonn, um OB von Trier zu werden. Unter den Gästen: Philipp Jenninger. Eine Etage tiefer hingen Plakate von Klaus Staeck, dem Heidelberger Polit -Künstler. Einige Christdemokraten sahen rot und rissen als „Rollkommando“ (Staeck) in Rage die Plakate von der Wand. Allen voran Jenninger, Seit‘ an Seit‘ mit Wagner. Die Ausstellung war geplatzt.

Fortan verlegte Wagner seine Aktivitäten bis 1979 ins Rathaus von Trier. Dort wollte die SPD das Hindenburg -Gymnasium und eine gleichnamige Straße umbenennen. Doch Hindenburg fand einen Verbündeten: Oberbürgermeister Wagner, der den Reichspräsidenten als großen Deutschen stählern verteidigte. Als die SPD im Stadtrat forderte, Trier solle Adolf Hitler endlich die Ehrenbürgerschaft aberkennen Hitler hatte sie schon am 18. April 1933 vom damaligen OB Heinrich Weitz und dessen Zentrumspartei erhalten - zog sich der OB zunächst formaljuristisch aus der Affäre: Hitler sei tot, und Toten könne man die Ehrenbürgerschaft nicht entziehen. Heraus kam letztlich dennoch ein Kompromiß: Hitler habe durch seine Verbrechen die Ehrenbürgerschaft verwirkt.

Der Katholik Wagner stieg 1948 in die Junge Union ein, schaffte 1949 das Abitur und studierte danach Rechtswissenschaften in Mainz. 1951 wurde er CDU-Mitglied und begründete den Ring Christlich-Demokratischer Studenten mit, dem er bis 1952 vorsaß. Noch bevor er 1960 zum „Dr.Jur.“ promovierte, hatte Wagner 1959 beschlossen, vom rheinland-pfälzischen Landesdienst in das Generalsekretariat des Europäischen Parlaments nach Luxemburg zu wechseln. Er startete als Beamter, avancierte 1964 zum Direktor und blieb dort bis 1969, als er in den Bundestag gewählt wurde. Nach seinem Gastspiel in Bonn als Finanzexperte der CDU/CSU -Fraktion und seinem Heimspiel als OB und Finanzdezernent von Trier wurde Wagner plötzlich in Mainz gebraucht: Justizminister Otto Theisen (CDU) mußte 1979 zurücktreten, angesichts eines im Mainzer Gefängnis zu Tode geprügelten Häftlings. Wagner hielt als Justizchef nichts von „Therapie statt Strafe“ für Drogensüchtige; auch sei nicht die Gesellschaft schuld daran, daß es so viele Drogentote gibt. 1981 rückte er dann auf den Platz des Finanzministers Johann -Wilhelm Gaddum, der nach Bonn ging.

Als Finanzminister war Wagner mit zuständig für die Vergabe von Spielbankkonzessionen, was derzeit ein Untersuchungsausschuß des Landtags überprüfen soll. Wagner sieht dem Ausschuß „mit Gelassenheit“ entgegen. Ihm liege etwas anderes näher am Herzen: Der Ausbau der Landesstraßen sei sein wichtigstes Ziel, sagte Wagner im SWF.

Fabian Fauch