Ehrenwerter Amtmann

■ Delmenhorster Amtsleiter beantragt Disziplinarverfahren gegen sich selbst / Ermittelt die Staatsanwaltschaft?

Jetzt tritt er die Flucht nach vorne an: Alfred Kunze, Leiter des Delmenhorster Ordnungsamts, der nach einem Gerichtsurteil ungestraft der Bestechlichkeit beschuldigt werden darf, hat ein (internes) Disziplinarver fahren gegen sich beantragt.

Wie berichtet (vgl. 17.3.), war der Gastwirt Burghard Klettke , der dem Amtsleiter just diesen Vorwurf gemacht hatte, am 15. März von der Anklage der Beleidigung freigesprochen worden. Im Prozeß konnte der Kneipier glaubhaft machen, daß Kunze bei Gastwirten und Schaustellern umsonst gezecht und sogar Geld verlangt und bekommen hat. Dennoch nimmt die Stadtverwaltung Kunze weiterhin in Schutz. So gegen die Grünen, die in einer Erklärung die Kunze -Affaire als Indiz für „Sittenverfall“ genommen hatten. Die Erklärung der Grünen lasse erhebliche Informationlücken erkennen, verlautete aus dem Rathaus. Fraktionschef August Süßmuth (CDU) gar: „Es

ist ein Zeichen von 'Sittenver fall‘, wenn die Würde anderer Menschen mit Füßen getreten wird...“ Gemeint ist die Würde des Amtsleiters Kunze, SPD.

Ob es neben dem selbst beantragten Disziplinarverfahren nun auch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen Kunze geben wird, ist ungewiß. Staatsanwalt Nils Tumat, der die Anklage gegen den Gastwirt Klettke vertreten, dann aber dessen Freispruch gefordert hat, hält ein Verfahren gegen Kunze für unausweichlich. Tumats Abteilungsleiter Habenicht ist da vorsichtiger: „Wahrscheinlich“, sagte er auf Anfrage. Erst müsse jedoch geprüft werden, inwieweit die Taten Kunzes inzwischen verjährt seien. „Okay“, meint dazu Klettkes Anwalt Ludwig von Kocemba, „aber eines ist nicht verjährt: Kunzes Falschaussagen vor Gericht. Allein deswegen muß die Staatsanwaltschaft ermitteln. Das ist die logische Konsequenz aus dem Urteil.“

mw