„Freizis“ - Onkel Scherfs Schmuddelhütten

■ Jugendfreizeitheime: 19 Stück gibt's noch und eine Lobby für die „Schmuddelkinder“ der Stadt ist nicht in Sicht / Zum zweiten Mal sollen mindestens zwanzig Stellen weggespart werden / Der Sozialsenator ist derweil bundespolitisch unterwegs

Eine Lobby haben die „Freizis“, die 19 Bremer Jugendfreizeitheime, wahrlich nicht. In den reformerischen 70er Jahren auf den Druck von JugendpflegerInnen und SozialarbeiterInnen ausgebaut, gelten sie mittlerweile selbst bei StadtteilbeirätInnen als „richtige Rattenlöcher, wo die nur vor der Türe rumhängen und Scheiben einschmeißen“. In den besten Zeiten strömten zu Konzerten und Discos bis zu tausend junge Leute in die Freizis, im heutigen verfeinerten Konsumzeitalter ist das Stammpublikum auf 30 bis 80 Jugendliche geschrumpft: häufig genug auf Sozialhilfe-EmpfängerInnen, auf ausländische Jugendliche und auf rabiate deutsche, die aus ihrem Ausländerhaß kein Geheimnis machen, auf die, die keine richtige Ausbildung haben und auf die, die dabei sind, in die Kriminalität oder ins rechtsradikale Lager abzurutschen. Wer mehr Taschen-Geld zur Verfügung hat, trifft sich heutzutage meist nicht mehr im Freizi, sondern in der neuen Spielhalle und in der Kneipe, geht ins Kino oder in die richtige Disco.

Eine erste Sparrunde haben die

„Freizis“ 1984 verordnet bekommen, und zwar - wie hinter vorgehaltener Hand gemunkelt wird - aus politischen Gründen: Die DKP-Mitglieder unter den SozialarbeiterInnen sollten weggespart werden. Obwohl Jugendliche ihre Freizis teilweise wochenlang besetzten, konnten sie nicht verhindern, daß 25 Stellen einem schleichenden Sparprozeß zum Opfer fielen. Die sozialdemokratische Rechnung ging jedoch nicht ganz auf, da die anvisierten DKPistInnen ihre sozial abgesicherten Stellungen nicht aufgaben.

1987 war die Sparquote erfüllt. Geblieben waren den Rest -Freizis noch genau 58,5 Stellen. Dann verkündeten „Aufgabenkritiker“: Mindestens zwanzig weitere Stellen seien den Freizis zu streichen. „Die Konsequenzen“, so Regional -Abteilungsleiter Leppin, „kann man sich nicht ausmalen, weil die Jugendlichen dann auf der Straße stehen.“ Der vor allem bundespolitisch akive Sozialsenator regte mittlerweile die „Privatisierung“ etlicher Häuser sowie ein „Moratorium“ beim Sparen an.

Im Frühjahr 1988 verpflichte

ten sich die für den Jugendbereich zuständigen Beamten, ein „Rahmenkonzept“ zu erarbeiten, um den status quo in den Freizis zu erhalten. Das Papier ist 376 Seiten stark und beschwert sich darüber, daß immer wieder „ein Teil der MitarbeiterInnen wochen-und monatelang mit der Produktion

von Berichten und Konzepten beschäftigt wird“. Doch mit der Papierflut wird nicht Schluß sein, Leiter Leppin wie Fachreferent Heintze wollen „für jedes Haus ein detailliertes Konzept, damit man Haus für Haus diskutieren kann.“ Was die Lage in den Freizis zusätzlich brisant macht, ist

der Umstand, daß der Mitarbeiterstamm nicht nur karg, sondern auch völlig überaltert ist: Mangels anderer beruflicher Perspektiven blieben Sozialarbeiter nicht nur die anvisierten „zwei, drei Praxisjahre“ im Freizi, sondern bis zu 16 lustlosen, völlig ausgepowerten Jahren. Sie sollen jetzt

bevorzugt umgesetzt werden, doch was dann mit ihren freiwerden Stellen passiert, wissen sie nicht. Sparkommissar Markus: „Was sollen die armen Kerle auch sagen, wir steigen ja jetzt erst in die Diskussion ein.“ LobbyistInnen werden sich an dieser Debatte wohl nicht beteiligen.

B.D.