Senatsfinanzierte Revolution „abartig“

■ Die Abgeordnete der Alternativen Liste, Lena Schraut, ist für eine Räumung der Fraunhoferstraße, falls die BesetzerInnen nicht kooperieren

taz: Du hast in der AL-Fraktionssitzung am Dienstag gesagt, du fändest es falsch, sich in Sachen Fraunhoferstraße hinter dem Bund zu verstecken. Was meinst du damit?

Schraut: Ich meine, daß wir nicht verlautbaren können, daß es der Bund ist, der hier räumen läßt und räumen wird und daß wir uns auch nicht mit Bedauern dahinter verstecken können. Angesichts der Lage, wie sie ist, müssen auch wir den Leuten sagen: Ihr könnt zu den Bedingungen, die ihr gestellt habt, dieses Haus nicht haben.

Aber der Senat steht doch deshalb unter Druck, weil der Bund das Gebäude am 1.4. zurückerhalten will?

Richtig. Aber ungeachtet dieser Tatsache bleibt auch richtig, daß die Leute zu diesen Bedingungen das Haus nicht haben können und daß man auch nicht bis zum Sankt -Nimmerleinstag darüber verhandeln kann.

Welche Bedingungen der BesetzerInnen meinst du?

Ich meine die Bedingung, daß sie dieses Haus für sich alleine haben wollen und daß sie darin ein Revolutionäres Zentrum aufbauen wollen. Man kann von einem Staat nicht verlangen, daß er ein Revolutionäres Zentrum, das - wie der Name schon sagt - ihn stürzen will, finanziert und unterhält. Das ist einfach völlig abartig.

Vorausgesetzt, die BesetzerInnen sind nicht kooperationsbereit, bist du also dafür, daß der Senat selbst schon vor dem 1.4. räumt?

Nein. Bis zum 1.4. werden beide Seiten sich noch mal mit Hilfe der VermittlerInnen darüber unterhalten, was mit dem Gebäude geschehen kann. Wenn in diesem Zeitraum die Konzeption der BesetzerInnen unverändert bleibt, bin ich für Räumung durch den Senat. Besser wäre es allerdings, die Leute würden das Gebäude freiwillig verlassen.

Du warst einmal „autonome Sanitäterin“. Das ist ja ein gewaltiger Kurswechsel, nun die Räumung eines besetzten Hauses zu verlangen.

Ich war Anfang der 80er Jahre autonome Sanitäterin, weil mir das in dieser politischen Lage für mich angemessen und richtig erschienen ist. Heute würde ich das nicht mehr so sehen. Die Hausbesetzerbewegung hat damals ziemlich gravierende Fehler gemacht. Einer davon war, zu meinen, man könnte den Kampf gegen den Staat gewinnen. Diese Meinung habe ich heute nicht mehr. Es gibt in der Bevölkerung keine Mehrheit für die gewaltsame Konfrontation mit dem Staat. Aber diese Einschätzung hat nichts damit zu tun, daß ich heute nicht mehr als autonome Sanitäterin auf Demos gehe. Ich habe einfach ein anderes politisches Aktionsfeld, den Datenschutz.

Interview: hmt