Khomeinis Nachfolger warf das Handtuch

Montazeri kam seiner Absetzung zuvor / Grundlegende Kritik an Khomeini verschaffte ihm Anhänger unter Liberalen wie Radikalen / Aus designiertem Nachfolger war Konkurrent geworden / Zuvor UN-Botschafter und stellvertretender Außenminister zurückgetreten  ■  Von Robert Sylvester

Berlin (taz) - Hodschatoleslam Hussein Ali Montazeri, der designierte Nachfolger des iranischen Revolutionsführers Ayatollah Ruollah Khomeini, ist am Dienstag zurückgetreten und damit seiner Amtsenthebung zuvorgekommen. Bereits am Sonntag hatte Khomeini im Bemühen, die Führungskrise im Iran zu lösen, Montazeri zum Rücktritt aufgefordert. Diese Entscheidung kam nicht völlig unerwartet. Montazeri hatte sich in letzter Zeit zu einer Art Oppositionsführer entwickelt und fast die gesamte Politik Khomeinis infrage gestellt. Das war als indirekte Aufforderung an den greisen Revolutionsführer gewertet worden, noch vor seinem Tod zurückzutreten.

Ebenfalls am Dienstag war der iranische UNO-Botschafter Mahallati zurückgetreten. Nur zwei Tage zuvor war der stellvertretende Außenminister Laridschani demissioniert, der eine wichtige Rolle beim Einlenken des Iran in der Frage des Waffenstillstands im Golfkrieg gespielt hatte. Beide Politiker waren zu schnell auf dem Weg zur Öffnung nach Westen vorgeprescht. Während es bei diesen Rücktritten um eine Korrektur der Außenpolitik handelt, geht es bei der Demission Montazeris um viel grundlegendere Fragen, auch wenn sie in die gleiche Richtung zu weisen scheinen.

Die iranische Führung ist in zahlreiche Fraktionen gespalten, die von der prowestlichen Linie des Parlamentspräsidenten Ali Akbar Haschemi Rafsandschani über den Fanatismus von Präsident Ali Chamenei, den Pragmatismus der Technokraten bis hin zu den Radikalen mit ihren Bestrebungen reichen, Revolution und Bomben zu exportieren. Für Montazeri sind alle diese Strömungen Abweichungen von den ursprünglichen Zielen der Revolution. Er trat ein für Redefreiheit, ein Mehrparteiensystem ohne staatliche Ideologie und umfassende soziale Reformen zugunsten der Armen - im Rahmen einer islamischen Republik, versteht sich.

Es zeugt von einer gewissen Naivität, wenn Montazeri heute den maroden Karren der islamischen Revolution mit dem Hinweis auf deren ursprüngliche Ziele aus dem Dreck ziehen will. In diesem Sinne ist Montazeri auch ein Hardliner. Mit seiner jüngsten Kritik an Khomeini konnte er unter einem Teil der Bevölkerung Hoffnungen auf Veränderung wecken. Doch sein Rückgriff auf die Ziele der Revolution verschaffte ihm auch Anhang unter radikalen Kreisen, die sich durch das Einschwenken ihres Führers auf den Waffenstillstand im Golf verraten fühlten. Schließlich war es auch Montazeri, der das Büro für den Export der islamischen Revolution geleitet hatte.

Um die Entwicklung Montazeris zu einem ernsthaften Konkurrenten rechtzeitig zu verhindern, hat Khomeini schließlich auf eine in der Verfassung verankerte alternative Möglichkeit der Nachfolgefrage zurückgegriffen. Danach kann ein Rat von drei bis fünf Personen eingesetzt werden, sollte keine geeignete Einzelpersönlichkeit gefunden werden. Mit der Institutionalisierung dieses Rates kann Khomeini mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die inneren Auseinandersetzungen werden in geregeltere Bahnen gelenkt, und die Nachfolgefrage wird neu bestimmt. Dieses Verfahren kommt zugleich den Ambitionen von Personen wie Rafsandschani entgegen, der zum Mitglied des Rates avanciert und vermutlich im September zum nächsten Präsidenten der islamischen Republik gewählt werden wird.

Die harte Kritik, die Montazeri im Februar anläßlich des 10.Jahrestages des Umsturzes formulierte, kann mit der Chruschtschows an Stalin verglichen werden, mit dem Unterschied, daß hier der Kritisierte noch lebt. Doch Montazeri war klug genug, nicht abzuwarten, bis Khomeini ihn feuert. Er trat rechtzeitig zurück, um sein Leben zu retten und zu verhindern, daß er das Schicksal des 1981 abgesetzten Präsidenten Abol Hassan Banisadr teilen muß. Banisadr lebt heute in Paris im Exil.

„Ich beschäftige mich in Qom mit theologischen Fragen, und ich bin nicht in politische Entscheidungsprozesse und weltliche Fragen verwickelt“, erklärte Montazeri denn auch in seiner letzten Botschaft, um jedwede Zweifel an seinen Absichten zu zerstreuen.