: „Nun haben auch wir unser Baskenland“
Bozo Kovacevic ist Mitherausgeber der Kulturzeitschrift 'Gordogan‘ (einem jugoslawischen „Kursbuch“), Hochschullehrer in Zagreb und Mitbegründer der unabhängigen Vereinigung „Sozialliberaler Bund Kroatien“ ■ I N T E R V I E W
taz: Du bist serbischer Abstammung. Hast du Verständnis für die serbisch-nationalistische Politik von Slobodan Milosevic?
Kovacevic: Mit einem Wort: Nein. Es ist eine schreckliche Tragödie, die sich in Kosovo abspielt. Eine unnötige Tragödie. Doch vorhersehbar. Die nationalistische Politik der serbischen Partei konnte nicht gut gehen. Die Albaner im Kosovo hatten Autonomierechte, die nicht zufriedenstellend waren, doch für balkanische Verhältnisse das zwischennationale Zusammenleben einigermaßen regelten. Aber die einfach über Nacht abzuschaffen, das führt zum Bürgerkrieg. Wir haben nun auch unser Baskenland. Und das kriegen wir nicht mehr los. Ich halte einen landesweiten Ausnahmezustand oder gar eine Militärdiktatur für ganz Jugoslawien nicht mehr für ausgeschlossen.
Weshalb schweigen nahezu alle serbischen Intellektuellen gegen den plumpen populistischen Kurs von Milosevic?
Das ist mir ein Rätsel. Zum Beispiel Zeljko Cencic, der einst in Frankfurt lehrte und Assistent bei Habermas war, zeigt Verständnis und sagt ganz offen, Serbien müsse „eine staatliche Einheit“ werden, Autonomierechte im Kosovo seien nicht angebracht.
Löst das unter Kroaten und Slowenen nicht Angst aus?
Hier in Kroatien glaubt man, das serbische Hegemoniestreben sei mit der „Schlacht um Kosovo“ vorerst gestillt. Man glaubt nicht, daß sich Milosevic landesweit durchsetzen kann. Aber in Slowenien und Kroatien schließt man eben nicht aus, daß das Militär in Jugoslawien aufmarschieren könnte.
Wie konnte es überhaupt so weit kommen, daß ein einzelner soviel politische Macht erlangen konnte wie Milosevic?
Weil in Jugoslawien nichts mehr funktioniert. Allen zentralen Stellen, ob Bundesregierung, Bundesparlament oder Bundesparteizentrale fehlt es an Autorität. Die katastrophale Wirtschaftslage, die ideologische Konzeptionslosigkeit hat unser Land in ein solches Chaos gestürzt, daß nur noch auf lokaler Ebene Politik gemacht wird. Die Serben machen ihre, die Kroaten eine andere, die Slowenen eine ganz eigenwillige ohne sich um die Föderation noch zu scheren. Das kann eben nicht gutgehen und birgt die Gefahr eines landesweiten Ausnahmezustandes.
Was müßte als erstes getan werden, um die Eskalation zu beenden?
Es ist schrecklich, aber ich sehe keine Lösung. Die begangenen Fehler lassen sich nicht mehr rückgängig machen.
Interview: Roland Hofwiler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen