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Schiffbruch

Alaska schwimmt im Öl  ■ K O M M E N T A R E

Mit der Jungfräulichkeit von Mutter Natur war es lang schon bestellt wie mit der Mariens: keiner glaubte dran, aber alle führten sie noch im Munde. Die weißen Flecken auf dem Globus sind längst verschwunden - haben sich zu schwarzen Flecken verwandelt, und die werden immer größer.

Jetzt ist Alaska dran. Seit Karfreitag hat der Exxon -Konzern auch hier sein Markenzeichen hinterlassen. Dreihundert Quadratkilometer Zivilisation dümpeln im Prinz -William-Sund und treiben unaufhaltsam wie ein Supertanker auf die Südküste Alaskas zu, eines der fischreichsten Gebiete überhaupt. Ein Kontinent schwimmt im Öl. Die ersten Eindämmungsversuche wurden verpennt, und es fehlte am nötigen Material; zum Glück reagierte wenigstens der Markt in gewohnter Rationalität, und an der New Yorker Rohstoffbörse sprang der Kurs für Öl um 38 Cent in die Höhe, als die Alaska-Pipeline geschlossen wurde.

Auch Exxons Kurs wird nicht sinken, hatte das Unternehmen doch erst im letzten Herbst seine technischen Mittel selbstlos in den Dienst der Natur gestellt, als drei festgefrorene Walfische unter Teilnahme der ganzen Fernsehwelt befreit wurden. Wer mochte da noch den Unheilspropheten lauschen, die mit Leidensmiene Altbekanntes in steter Wiederkehr zitieren mußten: daß es keine saubere Ölausbeutung gibt, daß sich Dreck im ewigen Eis nicht abbaut, daß Alaska sich gewiß zum Weltpark und gewiß nicht zur Ölförderlandschaft eigne usw. Hatte doch US-Präsident Bush, der einstige Ölmagnat aus Texas, noch im Februar tiefschürfend erklärt, daß die riesigen Ressourcen Alaskas „ohne Gefährdung der Wildnis“ genutzt werden könnten.

Natur“ lebt fort in Anführungszeichen, ist längst angewiesen auf Selbstbeschränkung, auf Denaturierung des Menschen. Möglichkeiten der Selbstregeneration sind ihr genommen. Nur als innere Natur, als Erinnye des Innenlebens kann sie noch zurückschlagen: Die „Exxon Valdez“ wurde offenbar von einem notorisch alkoholisierten Käptitän auf Grund gesetzt. Der erst 1986 gebaute Supertanker, ein „Nonplusultra an Sicherheit“, scheiterte am Arktisfrust eines Mannes, der an Land kein Auto fahren durfte. Inner nature strikes back - und der Mensch sitzt gefangen im eigenen, ewigen Scheiß.

Alexander Smoltczyk

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