Heimat-Schiffbau trocken

■ Ein neues Steintor-Buch: Werftengeschichte an der Unterweser / Spannende Themen, wissenschaftlich dröge erzählt / Ein Buch für das Regal

Der fleißige Steintor-Verlag betreibt Bremer Heimatkunde auf eigene Art: Geschichte der Industrie, Geschichte des Wohnens, politische Geschichte, Geschichte zum Beispiel auch des Fahrens mit Taxi, Rad oder Tram. Mit der Zeit haben die Ziele sich allerdings geändert: Ausgeträumt scheint der Traum, mit dem Steintormacher Hermann Pölking-Eiken vor fast vier Jahren anhub, der Traum von der populären Heimatgeschichte. Die schmucken Hefte der kleinen Reihe mit erlesenen Fotos und lesbaren Texten, sie sollten neben den Zigaretten und Kaugummis bei Plaza an der Kasse hängen. Nicht nur gebildete Steintor-BewohnerInnen sollten Steintor -Bücher lesen, sondern auch weniger gebildete Vahrer und Waller LeserInnen. So war's gedacht. Inzwischen gibt es dickere Bücher mit schlechteren (oder gar keinen) Fotos und, das ist am schlimmsten: mit unlesbaren Texten: Als schönes Buch getarnt

wurde so manches gut abgelagerte Manuskripte aus den Schubladen von Professoren und solchen, die es unbedingt noch werden wollen.Das ehrgeizige, handfeste Steitor Verlagsprojekt, ist es auf dem Wege zum Müllschlucker universitärer Texte?

Steintors neuestes Buch in der Hand, kann man diese Frage nicht einfach mit ja oder nein beantworten. „Von der Dampfbarkasse zum Containerschiff“ enthält eine Reihe von Detailaufnahmen aus der Geschichte des Schiffbaus an der Unterweser. Es erzählt viel von Technik, vom Wandel der Schiffsrümpfe, der Antriebsmaschinen und: wie der technische Fortschritt die Arbeit der Seeleute veränderte. Oder gesellschaftliche Themen: Vom „Arbeiterbund im Kreis Blumenthal“, ein Versuch des schlitzohrigen Landrats Berthold, mit einem unternehmerfreundlichen Arbeiterbund den Gewerkschaften das Wasser abzugraben. Oder vom faschistischen „Vertauens

rat“ auf der Vulkanwerft, der NS-Ausgabe des 1933 aufgelösten Betriebsrats.

Interessante Themen also. Aber Geschichten nehmen weder Farbe noch Gestalt an. Die Fakten bleiben gefangen in den dürren Worten, mit denen Seite um Seite bedeckt ist. Familienväter und -mütter, die sonntags mit ihren Kindern über die Weserdeiche spazieren und ihnen was von Schiffen und Werften erzählen wollen, sie werden auf dieses Buch kaum zurückgreifen, weil es einfach zu trocken ist. Ein Buch für den wissenschaftlichen Disput, für's gelegentliche Nachschauen, ein Buch für's Regal.

So weit, so schlecht. Ohne diese wissenschaftlichen, „seriösen“ Bücher könne sein Verlag nicht überleben, meint Hermann Pölking-Eiken zur Entschuldigung. Popöulär will er im Herbst wieder werden mit der Geschichte der Bremer Luftfahrtindustrie, mit Super-Fotos und gutem Text, so Pölking-Eiken.

„Von der Dampfbarkasse zum Containerschiff“ entstand an der Hochschule Bremen als Fortsetzung des Bandes „Spanten und Sektionen“. Keineswegs selbstverständlich, daß an dieser technischen Hochschule gesellschaftliche und historische Aspekte der Technik so intensiv erforscht werden. Witzigster Beitrag: Der von Lutz Krützfeld über den Umbau der „Queen Elizabeth II“ als Medienereignis. Kützfeldt macht uns klar, warum wir es nicht mehr hören können, wie toll die Bremerhavener Lloydwerft Schiffe aus aller Herren Länder umbauen kann: Weil die Medien (taz ausgenommen) die menschenfressende Arbeit im Bauch der QE II schamlos verherrlicht haben. Unisono, immer wieder, bis zum Erbrechen.

mw

Schon deshalb zum Weiterlesen: Von der Dampfbarkasse zum Containerschiff, herausgegeben von Peter Kuckuk, Hartmut Roder und der Hochschule Bremen. Steintor-Verlag, 323 Seiten, 24,80 Mark