Gnade vor Recht

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(Doppelpunkt, ZDF, 29.März, 22.35 Uhr) Immer, wenn er an einem Auto vorbeigeht, holt ihn seine Vergangenheit wieder ein. Der 24jährige Waldarbeiter aus Uelzen hat Autoradios geklaut, wurde erwischt und saß im Jugendarrest. In der Doppelpunkt-Sendung diskutieren außer ihm noch zwei andere jugendliche Straftäter, eine Sozialpädagogin, die soziale Trainingskurse betreut, eine Staatsanwältin und der Leiter eines kriminologischen Forschungsinstituts. Seit Mitte der siebziger Jahre steht es den Gerichten offen, ob sie junge Straftäter in den Vollzug schicken oder sich für eine „informelle Erledigung“ des Strafverfahrens entscheiden. Das heißt dann „Arbeitseinsatz“, „sozialer Trainingskurs“ oder „Opfer-Täter-Ausgleich“.

Der 22jähriger Schauspielschüler aus Frankfurt hat Autos angezündet. Er habe Probleme mit seiner Freundin gehabt. Ihm sei gar nicht klar gewesen, daß er etwas Unrechtes tue. Das sei reine Abenteuerlust gewesen. Der bayerischen Staatsanwältin geht das Gespräch in die falsche Richtung. Man habe es ja hier schließlich nicht mit Schwarzfahrern oder Ladendieben zu tun. Nein, man müsse sich damit abfinden, daß einige „Menschen eine kriminelle Veranlagung“ hätten, und da helfe auch „das Schlagwort soziales Training“ nichts mehr. Die Dame scheint bei ihren Memminger Kollegen in die Lehre gegangen zu sein. „Ich sperre ja nicht jeden x -beliebigen ein, aber wenn einer in den Arrest wandert, hat er Zeit, über die Schlechtigkeit seiner Tat nachzudenken.“ Warum macht Bayern seine Separationsambitionen eigentlich nicht endlich wahr!

Der Kriminologe hält jugendliche Straffälligkeit für eine Phase, die so ziemlich jeder Mensch durchmacht, - nur daß die wenigsten erwischt werden. Daher hätten die alternativen „Behandlungsmethoden“ auch die größeren „Heilungschancen“. „Das Stigma des Gesessenen haftet ein ganzes Leben.“ Auf den Einwurf aus dem Publikum, daß der Jugendstrafvollzug in seiner heutigen Form aus der Nazizeit stammt, meint die stramme Staatsanwältin, daß er sich auch in unserer Zeit als „Ahndungsmethode“ bewährt habe. Im Publikum macht sich Unmut breit. Die Staatsanwältin wird ausgeschaltet. Das soziale Training habe den Vorteil, daß man nicht nur über die vergangene Straftat redet, sondern auf ganz aktuelle Probleme eingehen kann. Man mache erlebnisorientierte Unternehmungen, um die „Abenteuerlust“ der Jugendlichen zu befriedigen, erläutert die Sozialpädagogin. Arbeitslosigkeit und Zukunftsängste seien der Hauptgrund, warum junge Leute ins legale Abseits geraten, bestätigen die Betroffenen. Man müsse helfen, nicht nur strafen.

Opfer-Täter-Ausgleich kommt in den letzten Minuten der Sendung etwas zu kurz. Ein junger Mann aus dem Publikum, ein Opfer, berichtet von seiner Konfrontation mit dem Täter. Er habe seine geklaute Jacke zurückbekommen. Mit dem Dieb würde er sich heute gut verstehen. Geklaute Jacke - lächerlich.

Bettina Bausmann