Spedition gegen Apartheid

■ Bremer gründen Spedition: „Solitrans“ / Keine Transporte von Waffen und keine Niederlassung in Südafrika / Unruhe bei etablierten Unternehmen

Bremen (taz) - Wie kommt die Hilfssendung von Medikamenten nach Mosambik, wie die gespendete Kreide an die Schule im nicaraguanischen Bluefields, und was ist zu tun, wenn eine Soligruppe einen Krankenwagen an die Patenorganisation in irgendeinem fernen Land expedieren will?

In Bremen haben sich jetzt der gelernte Exportkaufmann Horst Müller und einige Leute aus der Anti-Apartheid -Bewegung zu einem Projekt zusammengeschlossen, das solcherlei Probleme lösen soll. Das Projekt ist eine Spedition, sie heißt „Solitrans“ und bietet ihren potentiellen KundInnen alle Leistungen, die auch die herkömmlichen Speditionen offerieren - jedenfalls fast alle. Denn: Waffenlieferungen und Transporte von anderen militärischen und paramilitärischen Gütern wird es ebensowenig geben wie eigene Niederlassungen in Südafrika oder die Zusammenarbeit mit Politikern, die Menschen unterdrücken. Und genau dort unterscheidet sich „Solitrans“ von einer Vielzahl anderer Speditionen.

Die neue Konkurrenz in der Speditionsbranche wird ernst genommen: „Da ruft jemand an, stellt sich als Rechtsanwalt oder Mitarbeiter einer Auskunftei vor und will Informationen über mich haben. Und wenn ich dann nach Auftraggebern frage und Rückruf anbiete, wird aufgelegt.“ Müller vermutet, daß hinter diesen Anrufen das Interesse führender Speditionen steht. „Da herrscht wohl große Unruhe. Seit die von unserem Projekt erfahren haben, fürchten sie um ihr Geschäft.“

Müller stößt mit seinem Angebot auf großes Interesse bei alternativen Initiativen und Solidaritätskomitees. Der Transport von Hilfsgütern an Befreiungsbewegungen, insbesondere in die Dritte Welt, stellt sich hier seit langer Zeit als Problem. Da werden mit großer Kompetenz die Auseinandersetzung mit der offiziellen Entwicklungspolitik der Bundesregierung gesucht, die Zustände in anderen Teilen der Welt öffentlich gemacht und Hilfsgüter für fortschrittliche Projekte gesammelt. Der Transport dieser Güter wird dann aber fast immer den sogenannten Fachleuten überlassen. Der Grund: Damit kennt sich keiner in den Initiativen so richtig aus. Und schließlich sollen die Hilfsgüter auch bei den Leuten ankommen, für die sie gedacht sind. Da bleibt dann oft nichts anderes übrig, als auf die erhoffte Sachkenntnis und Erfahrung der herkömmlichen Speditionen zu vertrauen.

Dieses Vertrauen will Müller jetzt erschüttern. Er hat die Geschäftspraktiken der großen Speditionen und insbesondere ihre Geschäftsbeziehungen zu Südafrika unter die Lupe genommen. Sein Ergebnis: Viele der großen Speditionsunternehmen stehen auf der Boykottliste der UNO. Gute Verbindungen zu den verantwortlichen Politikern des Apartheidsystems sind hier ebenso selbstverständlich wie eigene Niederlassungen in Südafrika. Transportiert wird alles, was Geld bringt. Müller: „Es ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel, daß viele Transportunternehmen zum Beispiel Krankenhausausrüstungen, Prothesen, Nahrungsmittel und andere Hilfsgüter nach Mosambik transportieren, mit denen die Opfer der südafrikanischen Aggression versorgt werden sollen, und auf den gleichen Schiffen wird von den gleichen Unternehmen Waffen und anderes Kriegsmaterial transportiert, das für die südafrikanische Armee oder für die von Südafrika unterstützten sogenannten Befreiungsbewegungen bestimmt ist.“

Müller hat sich telefonisch als potentieller Auftraggeber ausgegeben und alle Speditionen in Bremen nach den Konditionen für den Transport von Unimogs nach Durban befragt. Keine einzige Übersee-Spedition in der Hansestadt hat dies abgelehnt. Als direkte Konsequenz aus diesen Erkenntnissen ist nun „Solitrans“ entstanden. Die ersten Hilfsgüterlieferungen hat das alternative Unternehmen bereits durchgeführt, für Bremer Solidaritätsinitiativen und das Bremer Landesamt für Entwicklungshilfe. In den Empfängerländern arbeitet „Solitrans“ mit UNO- Dienststellen zusammen und stellt damit sicher, daß die Hilfsgüter dort ankommen, wo sie hinsollen. Die Preise der alternativen Spedition entsprechen etwa denen der alteingesessenen Speditionen. Als einen zusätzlichen Service bietet Müller seinen KundInnen Beratungen über finanzielle Zuschüsse für Hilfsprojekte durch die EG und die UNO an. Und Müller rührt denn auch kräftig die Werbetrommel: 200 Initiativen und Hilfsorganisationen aus dem gesamten Bundesgebiet hat er angeschrieben, auf Bundesparteitagen von Grünen und SPD ist er mit Informationen präsent.

Selbst von den etablierten großen Hilfsorganisationen gibt es erste Rückmeldungen. So hat die evangelische Kirche in Nordrhein-Westfalen die Initiative aus Bremen begrüßt und über 20 weitere kirchliche Adressen aus dem Revier geschickt. In Bremen veranstaltet die evangelische Frauenhilfe seit Jahren wöchentliche Mahnwachen gegen Apartheid. Auf die Hilfsgütertransporte der Kirche in der Hansestadt hat dies bisher allerdings keine Auswirkungen. Hinrich Block, Geschäftsführer des Diakonischen Werks der Hansestadt: „Wir müssen flexibel sein und uns den preisgünstigsten und zuverlässigsten Partner aussuchen. Wir arbeiten mit mehreren Speditionen zusammen. Verbindungen zu Südafrika haben die alle. Und da gibt es doch auch überhaupt kein Schiff, das keine Waffen transportiert.“

Bis zum Jahresende soll sich herausstellen, ob „Solitrans“ bestehen kann und „eventuell sogar einige Dauerarbeitsplätze schafft“. Überschüsse sollen Projekten der Solidaritätsbewegung zur Verfügung gestellt werden.

oma