Dr. Dieter Klink bald „Quotierungsopfer“

■ Senatskanzlei will aus „Gründen der Optik“ mitten in der Legislaturperiode eine Frau zur Präsidentin der Bürgerschaft machen Klinks Sprecher Dr. Reinhard Uhde zur „Mompertierung“: „Das müssen subalterne Beamte sein, die sowas denken“

Der dienstälteste Parlaments- präsident der Bundesrepublik ist noch immer ein Mann. Er residiert und repräsentiert in Bremen - und heißt Dr. Dieter Klink. Vor dreißig Jahren, 1959, zog der Doktor der Volkswirtschaft als einfacher SPD -Abgeordneter ins Haus der Bürgerschaft ein. 1971

erklomm er den dreimal so gut dotierten Lehnstuhl des Bürgerschaftspräsidenten, auf dem er seit nunmehr 18 Jahren sehr bequem sitzen blieb und es tunlichst überhörte, was im Rauhaus schräg gegenüber für Unmut sorgte: Klink wird nicht nur im Volksmund, sondern auch von

grobmäuligen Senatoren längst und zunehmend offener als „Dr. Dieter Doof“ tituliert.

Doch jetzt, nach 18 Jahren getreulichen Parlaments -Präsidierens soll er in einem Handstreich amtsenthoben werden. Dies zumindest plant die Senatskanzlei von Bürgermeister Klaus Wedemeier. Und zwar weniger, weil etlichen Senatsräten und - Öffentlichkeitsarbeitern der langatmig-tumbe Floskelproduzent Klink schon seit Jahren ein heimlicher Dorn im Auge ist. Sondern weil der Senat, inspiriert vom Beispiel des Berliner Bürgermeisters Momper, innerhalb der nächsten Monate ebenfalls ein frauenpolitisches Zeichen setzen will.

„Mompertierung“

Für den Bremer Senat selbst hielten es die Herren mit der Devise des nordrheinwestfälischen Ministerpräsidenten Rau, der erklärt hatte: Der Regierende Berliner Bürgermeister Momper mit seinen acht Senatorinnen habe bereits fleißig für die anderen SPD-Landesregierungen „mitquotiert“. So verfielen die Senatskanzlei-Beamten auf den Plan, dann müsse eben an der ebenfalls repräsentablen Spitze der Bremischen Bürgerschaft ein „Quotierungsopfer“ gebracht werden.

Der über dieses Ansinnen tief gekränkte Dr. Klink selbst war gestern für die Presse nicht zu erreichen. Sein Pressesprecher Uhde erklärte: „Das müssen sub alterne Beamte sein, die sowas denken. Das ist höchst ungewöhnlich, daß sich die Regierung den Kopf zerbricht über das Organ, von dem sie gewählt wird.“ Der Verwaltungsdirektor der Bürgerschaft, Dr. Biebusch, dagegen kann sich gut vorstellen, unter einer Frau als Präsidentin zu arbeiten: „Ich möchte Herrn Dr. Klink nicht zu nahetreten. Aber für mich gibt es da keine Probleme. - Und was bedeutsam ist: Wir haben mittlerweile drei Frauen an der Spitze von Parlamenten: In Bonn, in Hamburg und auch in Schleswig-Holstein.“

Ursula Kerstein:

„Das ist überfällig“

Angetan von dem Vorhaben der Senatskanzlei, Dr. Klink durch eine Frau zu ersetzen, zeigte sich

auch die Landesfrauenbeauf tragte Ursula Kerstein: „Das finde ich gut. Das ist überfällig. Nach Berlin ist in Bremen eigentlich ein totaler Neubeginn nötig, wenn die sich nicht blamieren wollen.“ Die Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen“, Jutta Kellmann-Hoppensack, gestern gerade aus dem Urlaub zurück, erfuhr erst durch den Anruf einer Journalistin von den geplanten personellen Veränderungen an der Spitze des Parlaments. Der taz gegenüber erklärte sie: „Wir rechnen sowieso damit, daß beim nächsten Mal eine Frau kommt. Und Tepperwien als Mitkonkurrent hat sich seit dem St.-Jürgen-Skandal von selbst erledigt.“ Sie zeigte sich jedoch sehr erstaunt, daß die Senatskanzlei den Wechsel bereits in der laufenden Legislaturperiode anstrebt: „Das wäre

ja schon fast revolutionär. - Da würde mich nur noch die Person interessieren.“

Die bisherige Vize- und Alterspräsidentin der Bürgerschaft, Anneliese Leinemann (SPD), kommt als „Person“ nicht in Frage. Sie will nach zwanzigjähriger Mitgliedschaft 1991 aus der Bürgerschaft ausscheiden. Sie hätte sich allerdings gewünscht, bereits früher an die (Vize-)Spitze der Bürgerschaft gewählt worden zu sein: „Ich mache es richtig gerne, das macht mir mehr Freude als Ärger.“ Die frühere Personalratsvorsitzende Leinemann hat im Gegensatz zu Dr. Klink auch Sinn für Atmosphärisches („Das haben Männer alle nicht“) und führte ab Herbst 1987 einige Veränderungen im Haus der Bürgerschaft ein. U.a. erreichte sie, daß in dem dortigen Pausenbuffet außer kalten Kote

letts und Frikadellen auch köstliche Salate und Milchportionen erhältlich sind, daß die Abgeordneten nicht länger unter der alten Klimaanlage stöhnen müssen, oder daß der durch Punks verunzierte Mauervorsprung zum Marktplatz hin durch eine Blumenbepflanzung verziert wird. Sie ist allerdings mehr als skeptisch, ob der Präsident tatsächlich zum Rücktritt zu bewegen ist.

Im Gegensatz zur ausscheidenden Annliese Leinemann ist für die Nachfolge Klinks die langjährige Bremerhavener SPD -Abgeordnete Hildegard Lenz (siehe Foto) heftig im Gespräch. Sie hatte bereits 1987 für das Amt der Vizepräsidentin kandidiert, war jedoch damals Anneliese Leinemann in der franktionsinternen Abstimmung unterlegen. Hildegard Lenz: „Es hätte schon immer eine Frau Präsidentin sein können. Eine Frau könnte auch Bundeskanzler sein.“ Konkreter mochte sie jedoch nicht werden: „Dazu möchte ich mich jetzt noch nicht äußern. Das entscheidet immer in erster Linie die Partei.“

Doch die Partei könnte ihr einen Strich durch die Rechnung machen. Nicht nur, daß mißgünstige Parteischwestern der sympathischen Bremerhavener Tierfreundin nachsagen, ihr Engagement für Hunde und Katzen sei angesichts ihres unmäßigen Kosmetik-Verbrauchs völlig unglaubwürdig. Es gibt auch Neu-Parlamentarierinnen, die sich vehement innerparteilich dafür einsetzen, daß über dreißig Alt -ParlamentarierInnen spätestens nach 12 Jahren Parlamentszugehörigkeit ihre Sessel räumen müssen. Es soll zwar Ausnahmeregelungen für die elf SenatorInnen und den Fraktionsvorsitzenden Dittbrenner geben, nicht aber für eine künftige Parlamentspräsidentin. Die könnte schließlich ja auch aus ihren eigenen verjüngten Reihen kommen - und die neue Vizepräsidentin ebenfalls.

Mit dieser Lösung scheint sich auch die Senatskanzlei anzufreunden, die aus „optischen Gründen“ auch ein „kleines Feminat“ im Haus der Bürgerschaft will. Das könne den Senat noch ein paar Jahre vor der „Mompertierung“ bewahren.

Barbara Debus