Umweltsenatorin will „Schöneiche“ besichtigen

■ Die neue Umweltsenatorin Michaele Schreyer stellte gestern ihr Arbeitsprogramm der Öffentlichkeit vor / Wenig konkrete Ergebnisse und jede Menge Arbeitsgruppen / „Eine Stadt ist im Prinzip etwas Unökologisches“ / Die Smogverordnung soll verschärft werden

Die Berliner werden von der Politik der neuen Umweltsenatorin Schreyer erst mal nicht viel merken, wohl aber die Mitarbeiter in ihrer Senatsverwaltung. Folgt man den Worten der Senatorin, dann sind in der Behörde nun überall Arbeitsgruppen am Werk, werden Programme vorbereitet und Vorhaben geprüft. Nur wenige konkrete Ergebnisse wollte die Senatorin versprechen, als sie gestern ihre „vorrangig anzugehenden Maßnahmen“ auf einer Pressekonferenz vorstellte. Rücksichtsvoll heißt es schon in einer Überschrift des umfangreichen Maßnahmenkatalogs, mit Stadtflächen solle nicht nur umwelt- und sozialverträglich, sondern auch „wirtschaftsverträglich“ umgegangen werden. Mit einer weisen Erkenntnis schränkte die neue Senatorin Erwartungen ein: „Eine Stadt ist im Prinzip etwas Unökologisches.“

Auf jeden Fall soll die Smog-Verordnung schon zum Herbst verschärft werden. Die Berliner Verordnung liege „weit“ hinter dem zurück, was in Westdeutschland geltende Praxis sei, sagte die Senatorin. Was genau in Berlin nun nach welchen Vorbildern verschärft werden soll, konnte Schreyer aber noch nicht sagen.

Der Flächennutzungsplan (FNP) soll nur „in Teilen“ geändert werden, vorrangig im Zentralen Bereich. Zentrale Aufgabe sei es, hier die Konzepte mit der geplanten Bundesgartenschau '95 in Übereinstimmung zu bringen und eine Grüntangente von der neuen zur alten Buga 85 zu schaffen. Die neuen zusätzlichen Flächen dieser Grüntangente könnten jedoch nicht bis 1995 „voll fertiggestellt“ werden, schränkte die Senatorin ein. Für den Wohnungsbau dürften auf der Buga -Fläche am Moabiter Werder nur die jetzt schon ausgewiesenen zehn Hektar beansprucht werden, sagte Schreyer mit Blick auf Bausenator Nagel (SPD), der hier mindestens 1.000 Wohnungen unterbringen will. Die Senatorin will hier „umweltverträgliches Wohnen“ vorzeigen.

„Eine schwierige Aufgabe“ sieht die Umweltsenatorin, wenn es darum geht, den Wohnungsbau mit dem Schutz von Grünflächen zu verbinden, die „weitgehend geschont“ werden sollen. Sie wolle aber Bausenator Nagel nicht als „Umweltignoranten“ darstellen, meinte die Senatorin, „dafür kenne ich ihn zuwenig“. Um Bauflächen zu gewinnen, denkt Schreyer an den Rückbau überbreiter Straßen, etwa an der Urania. Mit dem Straßenrückbau hofft sie, schon 1990 beginnen zu können, ebenso mit einem Entsiegelungsprogramm, das asphaltierten Flächen zu mehr Grün verhelfen soll.

Um Freiflächen vor Gewerbeansiedlungen bewahren zu können, will die Senatorin verstärkt die „innere Reserve“ in alten Gewerbegebieten mobilisieren. Ganz wie ihr Vorgänger Starnick (FDP) wollte auch sie hier keine Förderprogramme versprechen. Die Senatorin hofft deshalb, der Strukturwandel werde den Flächenhunger der Wirtschaft reduzieren. Nicht ganz im Einklang mit jüngsten Berliner Untersuchungen meinte die Senatorin, eine Abnahme im verarbeitenden Gewerbe und eine Zunahme bei den Dienstleistungen feststellen zu können.

Als erste West-Berliner Politikerin will Senatorin Schreyer die umstrittene Sondermüll-Verbrennungsanlage Schöneiche in der DDR besuchen - vorausgesetzt, DDR-Chef Erich Honecker schlägt ihr die Bitte nicht ab. Ein Sonderabfallkataster, schon vom alten Senat begonnen, soll noch in diesem Jahr Auskunft über den in der Stadt anfallenden Sondermüll geben.

„Hauptsächlich Überzeugungsarbeit“ bei Verbrauchern und Betrieben will die Senatorin einsetzen, um den Müllberg zu reduzieren. Hier übte Staatssekretär Groth schwere Kritik an Schreyers Amtsvorgänger Starnick. „Wir finden keine Konzepte vor“, klagt Groth, oft fehlten Daten, und nicht einmal auf neue Bundesgesetze habe sich die Vorgängerregierung vorbereitet.

Die bisher gesammelten Daten über Altlasten im Boden will Senatorin Schreyer als „Altlastenkataster“ sofort den anderen Senatsverwaltungen und innerhalb von drei Monaten auch den Bezirken zur Verfügung stellen. So will sie verhindern, daß auf verseuchtem Boden gebaut wird. Zu einer möglichen Änderung des Stromtarifs, um zum Stromsparen anzureizen, wollte die Umweltsenatorin nichts sagen. Den Stromlieferungsvertrag (Stromverbund) zwischen Bewag und Preußen Elektra will sie „überprüfen“. Noch hält sie ihn nicht einmal in Händen.

Umweltschützer, denen das alles zu langsam geht, können sich zukünftig vielleicht wenigstens besser über den deprimierenden Stand der ökologischen Dinge informieren. „In kürzester Frist“ will die Senatorin die Berliner auch über Gefahren durch „Sommer-Smog“ auf dem Laufenden halten. Täglich will Schreyer mitteilen lassen, wie hoch die Ozonwerte in der Luft sind. Für ein Bürgerrecht auf Akteneinsicht will die neue Umweltsenatorin „umgehend“ Vorschläge erarbeiten lassen; und das Recht auf Verbandsklage soll wieder eingeführt werden. Betriebe, vor allem kleinere, und Bürger sollen aber auch verstärkt informiert werden, was sie selbst besser machen können.

hmt