Der neue gläserne Innensenator

■ Pätzold will im vierten Schmücker-Prozeß Aussagegenehmigungen erteilen / „Die Waffe kommt auf den Tisch“ Fehlentwicklungen des Verfassungsschutzes werden öffentlich behandelt / VS-Journalisten sollen ermittelt werden

Sämtliche Erkenntnisse, die es im Zusammenhang mit dem Schmücker-Verfahren gibt, will der neue Senat offenlegen. Innensenator Erich Pätzold (SPD) erklärte gestern, seine Behörde werde für das demnächst beginnende vierte Schmücker -Verfahren alle Aussagegenehmigungen erteilen. Erst letzte Woche hatte der Bundesgerichtshof zum dritten Mal ein Urteil des Landgerichts im Schmücker-Verfahren aufgehoben. Als Grund hatte der BGH u.a. die fehlenden Aussagegenehmigungen für Beamte des Verfassungsschutzes und des BKA genannt. Staatliche Stellen hätten somit die Beweisaufnahme behindert.

Während des längsten Prozesses in der bundesdeutschen Geschichte gegen Ilse Schwipper und vier weitere Mitangeklagte ist nie geklärt worden, wohin die Waffe verschwunden ist, mit der Ulrich Schmücker 1974 im Grunewald erschossen wurde. Ex-Innensenator Kewenig hatte über den Verbleib der Waffe stets jede Auskunft verweigert. Pätzold versprach auch hier größtmögliche Aufklärung. „Und wenn es die Waffe noch gibt, dann kommt sie auch auf den Tisch“, meinte er. Prüfen will der Innensenat auch, ob etwa unliebsame Zeugen „aus dem Verkehr gezogen wurden“. Fehlentwicklungen und Versäumnisse des VS sollen in einem regelmäßig öffentlich tagenden Parlamentsausschuß behandelt und aufgearbeitet werden. Einen ähnlichen Ausschuß hatte es im Parlament bis zum Einzug der AL ins Abgeordnetenhaus bereits schon mal gegeben. Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus VertreterInnen aller Fraktionen, soll die Sitzungen vorbereiten.

Insgesamt strebt der neue Innensenator „eine Neuorientierung des Verfassungschutzes“ an. Die sogenannte Extremistenbeobachtung, über die es bei den Koalitionsverhandlungen Streit zwischen der SPD und der AL gegeben hatte, soll „auf notwendige Ränder beschränkt“ werden. Die AL hatte die Abschaffung der Abteilung gefordert. Alle „unrechtmäßigen und unnötig gesammelten Unterlagen über zahllose Bürger“ sollen offengelegt und vernichtet werden. Der Innensenat will vorrangig die über Journalisten gesammelten Akten prüfen und dabei auch untersuchen, welche Journalisten eventuell für den Verfassungsschutz gearbeitet haben. Wer nach der prompten Entlassung von Verfassungsschutz-Wagner nun dessen Nachfolger wird, wollte Pätzold gestern nicht verraten.

Bleiben wird auf jeden Fall Polizeipräsident Schertz, versicherte Pätzold. Ansonsten soll auch bei der Polizei einiges anders werden. Die Ordnungshüter sollen sich verstärkt um die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, der Wirtschafts- und der Umweltkriminalität kümmern. Es gebiete schon die Glaubwürdigkeit des Senats, daß er nicht nur „gegen Hausbesetzer und gegen Vermummte auf der Straße“, sondern auch gegen die Täter mit weißem Kragen vorgehe.

Die Einführung des bei den Koaltionsverhandlungen beschlossenen kommunalen Ausländerwahlrechts wird wahrscheinlich nicht sofort erfolgen. Pätzold will zwar „das Gesetz auf die Wege bringen“, bezweifelt aber, ob dies ohne Verfassungsänderung möglich sei. Er plädierte dafür, für die Klärung solcher Fragen schnellstmöglichst ein Verfassungsgericht einzurichten. Grundsätzlich findet der Innensenator, könne Berlin nicht noch mehr Ausländer aufnehmen. Für „problematische Abschiebungsfälle“ soll es eine Härtefall-Kommission geben.

RiHe