Seh'n oder Nichtseh'n

■ N 3: „Dortmunder Roulette“, sechsteilige Unterhaltungsserie von Jost Krüger

Arm ist der Fernsehsamstagabend geworden, seitdem es die „Schwarzwaldklinik“ nicht mehr gibt. Und die Ersatz-Serie, „Rivalen der Rennbahn“, die sich nun dummdreist auf den glottertäler Sendeplatz drängt, die guck ich mir nicht an. Nein, da muß man ja schier verzweifeln, wenn Reitunfallopfer von irgendwelchen namenlosen Kurpfuschern geschient, bandagiert oder eingegipst werden sollen. Und wenn kein Brinkmann mehr zur Stelle ist, der all die anfallenden Intrigen und Konflikte in seinen hängenden Backentaschen birgt, um sie, in zutiefst humane Weisheiten umformuliert, als kleine, menschliche Schwächen wieder zu entlassen, vom Wussow-Sound gesalbt und eingeölt. Nein, nein, mich registriert die Einschaltquotenmessmaschine des ZDF am Samstag abend nicht mehr. Das haben sie jetzt davon.

Ich seh mir dafür was Anspruchsvolles an, im Dritten, das sich ja auch weg von den interleckduellen Minderheiten, hin zu uns Unterhaltungs-Idioten orientieren will. Aber alles eben ein bißchen mehr gepflegt, nicht so hemmungslos trivial. „Dortmunder Roulette“ ist ein Versuch in diese Richtung. Sechs Folgen, die lokalkoloriert im Ruhrpott spielen, wo die Leute das Wörtchen jetzt nicht sagen können, sondern sich stets mit getz behelfen.

Also, wie der Titel schon sagt: Ort der Handlung ist ein Spielcasino und das Drumherum, aber die Spieler sind nicht diese literarisch-tragisch-süchtigen Gestalten, sondern mehr so die kleinen Süchtigen wie du und ich. Als Zugpferde dienen renommierte Schauspieler wie Hannelore Hoger, Rosel Zech, Barbara Nüsse, Gerhard Olschewski und andere. Da hat man schon mal ein halbwegs gutes Gewissen: Nicht dieses ewig grinsende Pferdegesicht von Gaby Dohm; nicht dieser Udo -Sascha Hehn, der als Schauspieler prinzipiell eine berufliche Fehlbesetzung ist; also nicht dieses mimende Gekreuch und Gefleuch im Glottertal, sondern Schauspieler, denen man mit Genuß zusieht, auch wenn, leider, die Inszenierung recht behäbig ist, die Handlung während der 45 Minuten nur schleppend in die Gänge kommt und ich mir, ehrlich gesagt, die Frage stelle: Worum ging es eigentlich genau? Rosel Zech, mehrfache Hausbesitzerin, ist - heimlich, aber warum das? - verheiratet mit ihrem Hausmeister, der seinerseits, verständlicherweise, nicht grade ein selbstbewußter Mann ist. Im Spielcasino treffen sie auf den fetten, schön-fiesen Witwentröster Diether Krebs, der offenbar irgendwas Gschpusihaftes mit Rosel hatte, die wiederum so tut, als kenne sie den Herren nicht. Von Mann zu Mann wird dann die Sache andeutungsweise durchgekaut, bis Rosels Mann begreift: Er hat allen Grund, auf seine Gattin wütend zu sein. Die tröstet ihn dann mit einem Scheck, und fertig ist die Laube. Irgendwie bleibt das alles ein bißchen hängerig, aber nicht ohne Charme: Das Neureich-Spießige dringt manchmal sehr witzig durch, dank dieser Schauspieler, die nicht genötigt werden, Klischees zu sein. Es fehlt zwar der entscheidende Kick, der aus der Serie ein Vergnügen machen könnte, aber man kann sie ansehen, wenn man sich leise unterhalten lassen will.

Sybille Simon-Zülch