KOLLEKTIEFISMUS

■ Die Berliner Kabarett Anstalt feierte ihr einjähriges Bestehen

Das hatte man ihnen gar nicht zugetraut. Wie so vielen selbstverwalteten Projekten, die sich Hals über Kopf in Schulden gestürzt hatten, um endlich ein festes Haus, in diesem Falle eine feste Spielstätte zu bekommen. Das BKA als Spielort der Enterbten hat es mit der üblichen Selbstausbeutung im Grenzbereich der totalen Überlastung geschafft, ohne dem Lottobeirat in den Hintern zu kriechen. Daß ihr Programm „Stattputz“ unter diesen Bedingungen erst einmal zu leiden hatte, mag einige enttäuscht haben.

Was sie inzwischen daraus gemacht haben, hält einer Überprüfung stand. In der aktualisierten Form, nach der Bildung einer rot-alternativen Regierung, feiert es sich, wie in ihrem Stück, ein wenig anders als damals, als die Verhältnisse politisch noch ein wenig klarer waren.

Jetzt hängt der übriggebliebene Autonome im Kollektiv neben die Luftschlangen und Luftballons noch sein Transparent, auf dem rot auf schwarz „Rot-Grün zerschlagen - Deutschland verrecke„ geschrieben steht.

Aber es ist nicht dieser Gag, der den Stattputz der Enterbten so anschaulich das Dilemma des Kollektivismus demonstrieren läßt. Die Widersprüche des kapitalistischen Systems, in dem wir wohl oder übel alle zu Hause sind, werden in einem Spiel aufgenommen, das einerseits die Mitglieder des Kollektivs in ihren unterschiedlichen Zielen Revue passieren läßt, und andererseits springen die Kabarettisten als Gäste des Kollektivs in die Bresche, wenn Ironie gefordert ist.

Ist es nicht ein Jammer. Der Autonome liebt die Aussteigerin mit Geld, die sich wiederum in einen Softie verliebt, der noch sein schwules Coming-out erleben wird. Anhand dieser Personen werden die Positionen durchgespielt, die zwischen pragmatischer Existenzsicherung und Hochhalten kollektiver Errungenschaften wie beispielsweise des Einheitslohns schwanken.

„Kennen wir schon, wissen wir alles, haben wir alles schon gesehen“ mag man denken, aber die pointierte Demonstration des kollektiven Bewußtseins der Enterbten entwickelt sich vom reinen Kabarett zum musikalischen Theater, in dem die Operettenarie und auch der Rap nicht fehlt, wenn es dem Fortgang und der Unterstützung der Geschichte dient.

Daß diese nicht gradlinig in den Untergang führt und auch nicht ins Chaos, nicht in die Übernahme durch eine einzelne Gesellschafterin, scheint im Bewußtsein der Enterbten zu liegen, die den Kollektivgedanken selber leben. Sie scheinen über den Dingen zu stehen und sind in der Lage, bei allen Schwierigkeiten über sich selbst zu lachen und genau dieses im Stattputz weiterzugeben.

Qpferdach

Die Enterbten spielen STATTPUTZ nur noch bis zum 16. April, jeweils um 20 Uhr