Ein Arschloch zum Liebhaben

Hamburger SV - 1. FC Köln 0:1 / Die Kölner hoffen wieder auf die Meisterschaft  ■  Aus Hamburg Jan Feddersen

Es war dem immer etwas nölig dreinblickenden HSV-Trainer Willi Reimann vorbehalten, die magere Journalistenschar erstmals während der vergangenen knapp zwei Stunden Fußball im Volksparkstadion zu erheitern: „Es war ein glücklicher Kölner Sieg“, sprach er und gab seinen Spielern die Schuld, die er „vielleicht in den letzten Wochen etwas zu nett“ behandelt habe. Trainerkollege Christoph Daum lächelte ob dieser aus Hamburger Sicht etwas euphemistischen Beschreibung einer spielerisch katastrophalen hanseatischen Elf - mit seinem Pfund hatte er schon zuvor gewuchert: „Jetzt ist uns genau das gelungen, was wir uns vorgenommen hatten: die Bundesliga wieder interessant zu machen.“

Bayern München, bislang unangefochtener Tabellenführer der Liga, hatte zeitgleich in Mönchengladbach seine erste Saisonniederlage erlitten, Köln liegt jetzt nur noch drei Punkte hinter den Bajuwaren, „aber in Wirklichkeit ist es ja nur ein Punkt, weil die Bayern ja auch noch zu uns nach Köln müssen“, rechnete der Kölner Daum in aller Öffentlichkeit. Der 35jährige Trainer hat nicht umsonst seit einiger Zeit das Etikett „Arschloch zum Liebhaben“ am Pelz hängen. „Der HSV hat Unglaubliches geleistet in dieser Saison“, meinte er mit freundlichem Augenaufschlag zu Willi Reimann, „aber es ist einfach besser für die Bundesliga, wenn wir den Bayern den Titel streitig machen.“ Seine Arbeitgeber vom Präsidium des 1.FC Köln klatschten sich vor Freude auf die Schenkel wo doch Bescheidenheit und Rehhagelsches Understatement normalerweise zu den höchsten Tugenden in der Ausübung von Bundesliga-Astrologie gehören.

Wie dem auch sei: Gespielt haben beide Mannschaften im Hamburger Volksparkstadion, als gelte es, noch schnell zu beweisen, warum millionenschwerer Bundesligafußball auf kölsche oder hanseatische Art zuschauermäßig immer unattraktiver wird. 80 Minuten Ballgeschiebe, mißlungene Kombinationen, zehn Minuten schöner Sport mit intelligenten Spielzügen sowie ein Tor, das völlig zu Recht für die Kölner fiel - das reicht eben selbst bei einem Spiel zwischen dem zweiten und dritten der Liga nur für gut 20.000 Zuschauer.

Die Hamburger waren quasi entschuldigt: Sie schienen die 0:1-Pokalniederlage letzten Mittwoch gegen Werder Bremen noch nicht verkraftet zu haben - genausowenig wie die Last, seit einigen Wochen als Spitzenteam an der Fußballbörse, als Konkurrent zum FC Bayern München sogar, emporgejubelt worden zu sein. Fahrig, stellenweise amateurhaft klappten selbst simpelste Spielzüge nicht.

Die Kölner standen dem nur wenig nach. Littbarski, Häßler & Co mühten sich im Mittelfeld, ohne daß HSV-Torhüter Golz mitspielen durfte. Erst nach 20 Minuten mußte sich der Hamburger Tormann bücken - kein Problem für ihn, der bei hohen Bällen seine Probleme hat.

Die Hamburger nutzten die kölsche Konfusion jedoch nicht, obwohl Thomas von Heesen mit lichten Momenten rackerte und Manfred Kaltz, der auf seine alten Tage noch zwei Jahre in Bordeaux sein Geld verdienen will, den Jungen zeigte, wie mit geringem Einsatz Fußball gespielt werden kann. Technisch brillant, gewitzt und intelligent verteilte Kaltz die Bälle

-ohne daß die Arbeit von seinen Kollegen entsprechend gewürdigt wurde.

Der mit elf Toren bislang erfolgreichste HSV-Stürmer Uwe Bein, der von einigen Experten seit Wochen Teamchef Beckenbauer als Mittelfeld-Gott angedient wird, lief viel, auch wenn er häufig nicht zu wissen schien, wohin. So blieb es Jan Furtok vorbehalten, beim HSV den Stürmer zu mimen. Erfolglos.

Das goldene Tor des Tages fiel erst in der 66.Minute, als Ditmar Jakobs den Kölner Fleming Povlsen im Strafraum gekonnt zu Fall brachte. Den fälligen Elfmeter verwandelte Pierre Littbarski mit einem wuchtigen Schuß zum Endstand von 1:0.

Die hochverschuldeten Hamburger machten dennoch einen zufriedenen Eindruck. Meisterschaft war ihr Bier sowieso nicht, sie sind schon aus finanziellen Gründen ganz froh, nächstes Jahr wieder im UEFA-Pokal mitmischen zu dürfen. Beim momentanen Niveau der Liga wird dies wohl kein Problem sein.

Und Köln? Meisterlich war ihre Vorstellung wahrlich nicht. Aber was heißt das schon, wenn man - sagen wir - Hannover 96 als Vergleich nimmt.

HAMBURG: Golz - Jakobs - Kober (56. Bierhoff) Beiersdorfer, Kaltz, Jusufi, Moser, von Heesen, Bein, Homp (74. Marien) - Furtok

KÖLN: Illgner - Steiner - Kohler - Littbarski, Olsen, Gielchen (46. Götz), Häßler, Rahn (76. Hönerbach), Görtz Allofs, Povlsen