DVU-Kundgebungen weitgehend verhindert

Eine Handvoll Rechtsradikale starten den Europawahlkampf der Deutschen Volksunion (DVU) im Ruhrgebiet / Viele DemonstrantInnen verhindern die angekündigten „Großkundgebungen“ / In verschiedenen Städten waren die Veranstaltungen verboten  ■  Von P.Bornhöft und W.Jakobs

Bochum (taz) - Juristisches Durcheinander um Genehmigung oder Verbot von Kundgebungen, Eierwürfe von Gegendemonstranten, Prügeleien und Festnahmen kennzeichneten den Auftakt des Europawahlkampfes von DVU und NPD im Ruhrgebiet am Samstag. Die meisten Veranstaltungen wurden verboten. Wo sie dennoch stattfanden, be- oder verhinderten GegnerInnen die DVU-Redner. Mit Verspätung trafen die 15 bis 20 DVU-Mitglieder zu ihrer Auftaktkundgebung in Castrop -Rauxel ein und wurden von Polizei, etwa 150 Demonstranten, und vielen Passanten empfangen. Sechs Personen, darunter ein DVU-Mitglied, wurden vorläufig festgenommen und in die eigens eingerichtete Gefangenensammelstelle geschafft. Die Rede eines DVU-Mitgliedes, der die Demonstranten mehrfach als „Terroristen und Faschisten, die eine Gewaltherrschaft errichten wollen“ beschimpfte, war außerhalb der Absperrung kaum zu verstehen. Kirchenglocken, Trillerpfeifen und Parolen übertönten den Lautsprecher.

„Platzbesetzung“ in Unna

Zu den GegendemonstrantInnen zählten insbesondere die GAL, Autonome und Gewerkschaftsmitglieder. Die SPD hatte ihre Mitglieder aufgefordert, weder als Demonstranten noch als Zuschauer auf den Platz zu kommen. „Wir werden die Faschisten politisch bekämpfen“, hatte der SPD -Stadtverbandsvorsitzende mitgeteilt. Warum die Veranstaltung nicht verboten worden war, konnte die Polizei -Pressestelle am Samstag genausowenig beantworten wie irgendeine andere Frage. Im Anschluß an die Kundgebung zogen etwa 15 Autonome zur Polizeiwache. Dort waren „die Gefangenen noch in der Mache“, teilte ein Beamter einem Rechtsanwalt und einem GAL-Ratsmitglied mit. Nach der Personalienfeststellung wurden die Festgesetzten freigelassen.

Von Castrop-Rauxel sollte die neofaschistische „Tour de Ruhr“ ursprünglich über Dortmund nach Bochum weitergehen. Weil in Dortmund ein entsprechendes Verbot juristischen Bestand hatte, kündigte die DVU-Zentrale aus München noch am Freitag die Fortsetzung ihrer Rundreise nach Unna an. Die Kleinstadt im östlichen Ruhrgebiet gilt nicht zu Unrecht als besonders anfällig für rechtsradikale Parolen. Ende der sechziger Jahre zog hier die NPD vorrübergehend sogar mit über zehn Prozent Stimmenanteil in den Stadtrat ein. Am Samstag war von der DVU-„Großkundgebung“ in der Innenstadt dann aber nichts zu sehen. Statt dessen bevölkerten Sozialdemokraten, Grüne und IGM-Gewerkschafter mit ihren Infoständen den zentralen Platz.

In Gelsenkirchen und Bochum erlaubt...

In Unna stolperte die DVU über den kleinen Dienstweg, über bürokratische Fallstricke, die dafür sorgten, daß die zunächst erteilte Genehmigung mit neuer Begründung zurückgezogen wurde. Man kann die Methode, über die auf dem Platz nur gemunkelt wurde, als eine besonders „pfiffige“ antifaschistische Aktion verstehen. Man kann sie aber auch als das bezeichnen, was sie tatsächlich war: ein nur mäßig kaschierter Rechtsbruch. Denn diejenigen, die den Platz am Samstag belegten, waren nach Aussagen von Beteiligten in ihrer Mehrzahl erst auf die Idee gekommen, nachdem der Antrag der DVU schon vorlag. Eine Serie von Gesprächen zwischen Verwaltung, Polizei und Politikern aller Couleur verwandelte einen bis dato nahezu freien Platz - nur die SPD hatte einen Infotisch angemeldet - in einen längst überfüllten Versammlungsort.

...in Essen verboten

Während das Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen für den „Aufmarsch“ der Rechtsradikalen in Bochum und Gelsenkirchen die Verbotsverfügungen der örtlichen Behörden aufhob, wies das Gericht einen entsprechenden Widerspruch der Neonazis für das Stadtgebiet von Essen noch am Samstag zurück. In Bochum sorgten etwa 300 bis 400 GegendemonstrantInnen dafür, daß die eigentliche Kundgebung, auf der auch Martina Gutscher vom NPD-Landesvorstand reden sollte, nicht stattfand. Nach etwa eineinhalb Stunden gaben die von zahllosen Eiern und Farbbeuteln gezeichneten Neonazis - ohne auch nur ein Wort gesagt zu haben - entnervt auf. Ihr Auftritt im nur wenige Kilometer entfernt liegenden Gelsenkirchen verlief eine Stunde später nach demselben Muster. In beiden Städten nahm die Polizei insgesamt drei GegendemonstrantInnen vorübergehend fest. Die angekündigte „Serie von Großkundgebungen“ zur Europawahl, für die die Neonazis die hetzerische Parole „DVU ins Europarlament, Scheinasylanten ausweisen - Deutschland soll deutsch bleiben“ ausgegeben hatten, entpuppte sich als eine klägliche Tour von 15 Neofaschisten, die in den einzelnen Städten hunderte von GegendemonstrantInnen, aber nur eine Handvoll von rechtsradikalen Zuhörern mobilisierte.

Sieben Prozent für die Rechtsradikalen?

Haben die Rechtsradikalen im Revier also keine Chance? Wird es im Pott keine Wiederholung von Berlin oder Frankfurt geben? Tatsächlich eignen sich die Demonstrationen vom Wochenende wohl kaum als Beleg, um den Menschen im Revier eine besonders resistente Haltung gegenüber rechtsradikalen, rassistischen und ausländerfeindlichen Parolen bescheinigen zu können. Manfred Güllner, Wahlforscher vom Dortmunder Forsa-Institut, hat den Rechtsradikalen erst jüngst sieben Prozent Stimmenanteil in NRW prognostiziert.

Wie ist dieser Aufschwung zu stoppen? Indem man die Hände in den Schoß legt sicher nicht, aber mit Demonstrationen nach dem Muster vom vergangenen Wochenende wohl auch nicht. Die dadurch erzielte Publizität gehört zum mobilisierenden Kalkül der neofaschistischen Strategen. Unter diesem Gesichtspunkt ist die rechtsradikale Rechnung aufgegangen. Einen Weg, um dieser Falle zu entgehen, bewiesen die Demonstrationen vom Wochenende nicht.