SPD-Linie zum Hungerstreik gefordert

Lafontaine: SPD-Ministerpräsidenten sollen sich auf gemeinsame Haltung verständigen / Anwälte der Hungerstreikenden zitieren Staatssekretär Kinkel - keine Zusammenlegung, „egal wieviel Tote es gibt“ / Jusos schließen sich „Osterappell“ an / Stoiber schäumt  ■  Von Gast/Fauch/Voges

Berlin (taz) - Nach dem Scheitern der Vermittlungsinitiative des Berliner Regierenden Bürgermeisters Momper hat der saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine gestern erklärt, die Ministerpräsidenten der SPD-regierten Bundesländer müßten sich jetzt auf eine gemeinsame Haltung zu den Forderungen des Hungerstreiks der RAF-Gefangenen verständigen. Am Rande des Juso-Kongresses in Osnabrück wollte Lafontaine aber keine neue Initiative der SPD-Länder ankündigen. Er bestritt, daß alle den Hungerstreik betreffenden Fragen zur „Chefsache“ der SPD -Ministerpräsidenten erklärt worden wären.

Die Anwälte der RAF-Gefangenen Brigitte Mohnhaupt haben unterdessen Meldungen entschieden zurückgewiesen, nach denen der Staatssekretär im Bundesjustizministerium Klaus Kinkel mit ihrer Mandantin verhandele. Der alleinige Zweck des Besuches von Kinkel bei Brigitte Mohnhaupt am vergangenen Dienstag sei gewesen, „eindeutig klarzustellen, daß der Staat zu keinerlei Zugeständnissen bereit ist“, erklärte die Rechtsanwältin Anke Brenneke-Eggers. Über das Treffen des Staatssekretärs sei ursprünglich Vetraulichkeit vereinbart worden. Nachdem aber das niedersächsische Justizministerium das Treffen bestätigt hätte und in den letzten Tagen der Eindruck geweckt worden sei, Kinkel würde regelrecht verhandeln, hätten sich die Anwälte gezwungen gesehen, das Bild zu korrigieren.

Bereits am Freitag abend hatte auch Rechtsanwalt Dieter Adler den Justizstaatssekretär in der ZDF-Sendung heute journal dahingehend zitiert, „daß nicht ein einziger Gefangener in ein anderes Bundesland verlegt wird“. Dies gelte nach Kinkel auch unabhängig davon, was künftig geschehen werde. „Also, er hat auch klar und deutlich gesagt: Fortsetzung Seite 2

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egal wieviel Tote es gibt“.

Die RAF-Gefangenen - von denen sich Karl-Heinz Dellwo und Christa Eckes jetzt seit 62 Tagen im Hungerstreik befinden wollten den Staatssekretär dennoch als Gesprächspartner akzeptieren. Er müsse aber mit einem Angebot kommen: „Ohne irgendeinen Vorschlag kann ja nichts gehen.“

Der bayerische Innenminister Edmund Stoiber schäumte unterdessen in der gestrigen Ausgabe der 'Bild am Sonntag‘. Mit der öffentlichen Diskussion um die Forderungen der Hungerstreikenden würde „ein erstes Ziel der Terroristen“ bereits erreicht. Die Gefangenen würden „geradezu zu Opfern hochstilisiert“. Für den Hardliner der Münchner Staatskanzlei dient eine Zusammenlegung der Gefangenen lediglich „der Festigung des terroristischen Kerns und nicht der Umkehr von Tä

tern oder der Humanität“.

Der gescheiterte Vermittlungsvorschlag Walter Mompers hat die Bundesländer offensichtlich doch nicht so überrascht, wie bisher geäußert wurde. In einem Gespräch mit der taz erklärte der rheinland-pfälzische Justizminister Peter Caesar (FDP), es habe bereits zuvor „eine Art Telefonkonferenz der Staatskanzleien gegeben, die Länder Bayern und Baden-Württemberg ausgenommen“. Die Justizminister seien ebenfalls ausgeschlossen geblieben. Caesar: „In einigen Bundesländern, nicht hier bei uns, ziehen die Staatskanzleien gerne solche Themen an sich.“

Nach seinen Worten gehen die Verhandlungen zwischen Justizministerien und RAF-Gefangenen weiter. So würde der Bonner Staatssekretär Kinkel erneut Gespräche mit den Inhaftierten führen und er, Caesar, würde „täglich x-mal mit Kinkel telefonieren“. Kontakte gebe es zu Brigitte Mohnhaupt „und wohl auch anderen“. Die Behauptungen aus

Bayern, daß Kinkel in seinen Gesprächen kurz vor einem Ergebnis gestanden hätte, kommentierte er mit den Worten „weit überzogen“. Entgegen den Aussagen der Rechtsanwälte könne das Treffen mit Brigitte Mohnhaupt aber auch nicht völlig ergebnislos verlaufen sein: „Nur um zu sagen, daß man nicht verhandeln will, hätten Kinkel und Frau Mohnhaupt nicht zweieinviertel Stunden gebraucht.“

Der Bundeskongreß der Jungsozialisten hat sich gestern in Osnabrück den „Osterappell“ zu eigen gemacht, in dem sich prominente Theologen und Angehörige des ermordeten Diplomaten Gerold von Braunmühl vor zehn Tagen an die Landesregierungen gewendet hatten. Die Jusos forderten jetzt die Bundesländer, die Bundesregierung und die SPD auf, das Schweigen zu durchbrechen, „Gespräche mit den Gefangenen aufzunehmen und im Sinne von humanen Haftbedingungen eine Zusammenlegung zu ermöglichen“. Außerdem ver

langt die SPD-Nachwuchsorganisation, „die Freilassung der Gefangenen, deren Wiederherstellung nach Krankheit, Verletzung oder Folter durch Isolation unter Gefängnisbedingungen ausgeschlossen ist“.

Die Regenbogenfraktion im Europäischen Parlament hat in einem Schreiben an die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen appelliert, sich „mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln bei der Bundesregierung zu verwenden, daß es zur Veränderung der Haftbedingungen der Gefangenen kommt“. Die Fraktion verweist in ihren Schreiben vom 14.März auf den UN-Menschenrechtsausschuß, der 1982 erklärt hatte, daß Isolation und sensorische Deprivation gegen die Menschenrechte verstoße.