Öko a la DDR: zweifelhaft bis verantwortungslos

■ Bremer DKP-Delegation zog erste Bilanz aus Treffen mit SED-Vertretern in Ostberlin: Mülldeponie Schönberg untergräbt Forderungen von BRD-Umweltschützern, Weser-Versalzung muß gestoppt werden

Einen Tag nach ihrer Rückkehr von einem offiziellen Besuch bei der befreundeten Bruderpartei im real existierenden Sozialismus war in der Bremer DKP vor allem eines klar: „Eine abschließende Bewertung der dreitägigen Gespräche ist gegenwärtig noch nicht möglich.“ Klar ist den Bremer GenossInnen allerdings schon so viel: Auch die geballte Rechtfertigungs- und Begründungs-Ladung, mit der sie drei Tage lang von führenden SED-Mitgliedern eindeckt wurden, ändert nichts daran - für die DKP ist die sozialistische Giftmülldeponie Schönberg für die Abfälle des Kapitalismus ebenso wenig zu rechtfertigen wie die jährliche Hunderttausend-tonnenfache

Weser-Salzfracht aus DDR-Kalibergwerken. DKP -Delegationsmitglied Uwe Lange in einer gestrigen Pressekonferenz: „Mit fadenscheinigen Argumenten setzt die DDR in Schönberg ihre Devisen-Interessen über alle ökologische Prinzipien und unterläuft dadurch die Forderungen der Öko-Bewegung in der BRD nach drastischen Einschränkung umweltgefährdender Technologien.“ Daß die DDR -Führung ihrerseits Schönberg für „absolut sicher“ und obendrein für einen Beitrag zur „internationalen Verständigung“ hält, haben die Bremer GenossInnen in Ost -Berlin „zur Kenntnis genommen“. Gleichzeitig vermissen sie allerdings Sicherheits-Gutachten, chemische

Analysen über Müllzusammen setzung und Deponie-Sickerwässer, mit denen die SED-Führung ihre sicherheitstechnischen Beteuerungen auch objektiv nachprüfbar machen würde. Uwe Lange: „Solange die DDR sich weigert, solche Daten zu veröffentlichen, bleiben Zweifel an der Sicherheit von Schönberg.“

Nur mühsam können die Bremer DKPlerInnen auch dafür Verständnis aufbringen, daß nach inzwischen neunjährigen Verhandlungen zwischen BRD und DDR immer noch nicht nicht weniger DDR-Salz in die Weser gekippt wird. Zwar hat auch die DKP spätestens beim jetzigen DDR-Besuch, daß der „Skandal“ auf beiden Seiten der deutsch-deutschen Grenze stattfindet. Während die DDR die hochsalzhaltigen Abwässer direkt in die Werra einleitet, verpreßt die

westdeutsche Kali-&-Salz-AG ihre Salzlaugen in den Boden, wo sie unterirdische Grenz-Überwege in die umgekehrte Ricchtung finden. Nach DDR-Analysen sind tektonische Verschiebungen aufgrund der Verpressung z.B. eindeutig dafür verantwortlich, daß das DDR-Städtchen Völklingen kürzlich durch ein Erdbeben fast völlig zerstört wurde.

Zumindest mitverantwortlich ist nach DKP-Auffassung die BRD auch dafür, daß die DDR ihren Kali-Abbau noch immer nicht auf das umweltschonende „Ester-Verfahren“ umgestellt hat: Die westdeutsche Kali-&-Salz-AG, die die entsprechenden Patente besitzt, hat sich bislang geweigert, der DDR ihr produktionstechnisches Know-how zur Verfügung zu stellen.

Für DKP-Delegationsleiterin

Heidi Knake-Werner sind das zwar „objektive Probleme“, aber noch lange keine hinreichenden Gründe, dem kapitalistischen Nachbarn die eigenen Schadstoffe ins Flußwasser zu kippen. Und auch für DKP-Mitglied Hans Willer darf sich die DDR nicht auf das Schwarze-Peter-Spiel einlassen, wer die größere Umweltverschmutzerin ist: „Für mich als Kommunisten muß sich der Sozilismus auch unter ökologischen Gesichtspunkten höhere Maßstäbe gefallen lassen als der Kapitalismus.“

Trotz vieler unausgeräumter Zweifel: Insgesamt zeigte sich die kleine DKP-Delegation gestern zufrieden mit ihrem Besuchs beim größeren Bruder: Obwohl sie mit ihren frech -kritischen Fragen, ihrem (unerfüllt gebliebenen) Wunsch, auch mit „Staatsfeinden“ aus der unabhängigen

Öko-Bewegung der DDR zu diskutieren, und ihrer unangmeldeten Begleitung durch einen taz-Redakteur hart an einem Skandal entlang geschliddert waren (vgl. taz vom 2. 4.), halten die Bremer Genossen die drei in der DDR verbrachten Tage für „ein insgesamt gelungenes Experiment, das fortgeführt werden sollte.“ Demnächst soll deshalb ein zweiter Anlauf zu offiziellen Kontakten mit Vertretern der „Untergrund-DDR -Ökobewegung“ aufgenommen werden; notfalls wollen die Bremer DKPlerInnen sogar auf eigene Faust zu „unautorisierten“ Gesprächen mit unabhängigen Schützern der DDR-Umwelt einreisen. Ob die SED-Führung solche neuen DKP-Interessen tolerieren wird, dazu wollte gestern allerdings niemand eine Prognose abgeben.

K.S.