Chinas Flüsse - schwarz und stinkig

Staatliche Umweltschutzkommission legt Gewässerbericht vor / Die Trinkwasserversorgung ist bedroht, und die Fische sterben aus / Industrie kippt Abfälle in Flüsse und Seen  ■  Aus Peking Th. Reichenbach

Auch wenn Deng Xiaoping am Wochenende wieder sein alljährliches Ritual für die Umwelt pflegte und ein Bäumchen pflanzte - die ökologischen Verhältnisse in China liegen im argen. Die staatliche Umweltschutzkommission in Peking legte vor wenigen Tagen der Öffentlichkeit einen Bericht vor, nachdem die Gewässerverschmutzung in China durch die Industrie katastrophale Ausmaße angenommen hat. Am Beispiel der 100 Millionen Einwohner zählenden Provinz Sichuan ergab eine Bestandsaufnahme, daß 80 Prozent aller fließenden Gewässer zum Teil hochbelastet sind. So leitet z.B. in der Provinzhauptstadt Chengdu allein die einzige Papierfabrik seit Jahren täglich über 3.000 Tonnen stark verschmutzte Abwässer ungeklärt in den Jiangnan-Fluß, der sich über 20 Stromkilometer hinweg tiefschwarz verfärbt hat. Die Einwohner von sechs Kreisen entnehmen daraus ihr Wasch- und einige Orte auch ihr Trinkwasser. Allein die 800 Papierfabriken gehören zu den schlimmsten Verschmutzern der Flüsse, in denen die meisten Fischarten ausgestorben sind.

In den meisten Orten verkaufen die übriggebliebenen Fischer auf den Märkten jedoch weiterhin ihren vergifteten Fisch. Auch die Trinkwasserversorgung für mehrere Millionen Menschen ist ernsthaft bedroht. Nachdem z.B. vier Papierfabriken im Kreis Neijang den Oberlauf des Yangtse in einen stinkenden schwarzen Strom verwandelt hatten, häuften sich seit zwei Jahren die Fälle von Haut- und Darmkrankheiten, insgesamt wurden 3.860 schwere Fälle amtlich registriert.

Kläranlagen für Haushalts- oder Industrieabwässer gehören in China noch zu den Ausnahmen. Niemand weiß oder kontrolliert, was und wieviel ins Wasser eingeleitet wird. Es fehlt allerorten an Bewußtsein und Entscheidungskompetenz der verantwortlichen Kader, an Kapital und Know-how. Seitdem nach der Reform die Betriebe für Gewinne und Verluste selbst verantwortlich sind, halten viele Umweltschutzinvestitionen für zu teuer und - da es keine rechtlichen Genehmigungsverfahren für Abwassereinleitungen gibt - auch für überflüssig. Wie die Kommission bei Inspektionen feststellte, gehört es zur Praxis vieler Betriebe, ihre Abfälle per Lastwagen einfach in den nächstgelegenen Fluß oder See zu karren. Auch der Wasserverbrauch der Industrie selbst ist enorm hoch, sauberes Trinkwasser wird immer knapper.

Nur 0,3 Prozent des Volkseinkommens werden in China für Umweltschutz ausgegeben. Die Provinz Sichuan hat nicht einmal eine eigene Behörde für Umweltschutz, im Büro der „Umweltschutzkommission der Provinz“ arbeitet ein einziger Angestellter - zuständig für ein Gebiet mit über 100 Millionen Menschen.