„Über den Weg verhandeln ...“

■ Interview mit Peter Hansen, Grüner Abgeordneter im niedersächsischen Landtag und Mitglied des Unterausschusses Strafvollzug / Besuch bei den RAF-Inhaftierten Dellwo, Folkerts und Taufer

taz: Herr Hansen, Sie haben am Freitag abend in Celle die RAF-Gefangenen Karl-Heinz Dellwo, Knut Folkerts und Lutz Taufer besucht. Wie ist der Gesundheitszustand von Karl -Heinz Dellwo nach über 60 Tagen Hungerstreik?

Peter Hansen: Er hat am Freitag zwei Stunden mit mir intensiv sprechen können, gemeinsam mit den beiden anderen. Das sagt ja etwas über seinen derzeitigen Zustand aus. Dessen ungeachtet besteht aber die große Sorge, daß sich eine kritische Situation sehr schnell einstellen kann.

Nach den Worten der Gefangenen würde dann die „Koma-Lösung“ anstehen.

Die medizinische Behandlung ist keine Lösung des Problems, da keine Aussicht auf ein anderes Leben besteht. Das wird von den Inhaftierten abgelehnt. Auch mir scheint das keine Perspektive. Auf keinen Fall darf der Zeitraum, der durch eine Behandlung im Koma gewonnen wird, mit einkalkuliert werden, wenn überlegt wird, wie schnell jetzt gehandelt werden muß.

In der letzten Zeit gab es mehrere Initiativen. Vom Osterappell prominenter Persönlichkeiten bis hin zum Vorstoß des Berliner Regierenden Momper. Haben die Gefangenen zu diesen Aufrufen Stellung bezogen? Gibt es bei ihnen Kompromißangebote?

Kompromißangebote bezüglich des Ziels, wie sie es formuliert haben, gibt es nicht. Das Ziel steht fest, und ich unterstütze auch diese Forderung der Zusammenlegung in interaktionsfähige große Gruppen. Kompromißbereitschaft sehe ich in der Frage, wie dieses Ziel erreicht, wie es umgesetzt werden kann. Über den Weg wäre zu verhandeln, aber nicht über das Ziel.

Wenn jetzt nach über 60 Tagen Hungerstreik das Angebot käme, die Gefangenen, in vier oder fünf Gruppen zusammenzulegen, würden die Gefangenen in dieser Zuspitzung auf dieses Angebot eingehen?

Ich denke nein.

Die Gefangen haben aber wiederholt Verhandlungdbereitschaft signalisiert. Wie müßten die Angebote dann aussehen?

Die Angebote müßten glaubhaft machen, daß zwei Standorte ins Auge gefaßt werden und daß dort mit der Zusammenlegung begonnen wird. Es kann kein Weg zum Ziel der Zusammenlegung sein, an mehreren Standorten weitere Kleingruppen zu bilden. Im Unterschied zu anderen Stellen im Bundesgebiet sind die drei in Celle in einer Kleingruppe mit mehrstündigem gemeinsamem Umschluß am Tag zusammengefaßt. Die Kleingruppe haben sie ja schon.

Der Rechtsanwalt von Karl-Heinz Dellwo hat den Vorschlag einer Gruppe mit 12 Gefangenen eingebracht. Wäre das ein erster Schritt?

Ich denke schon. Das entspricht im übrigen auch der Forderung, die meine Fraktion im Landtag gestellt hat: Interaktionsfähige Gruppen in der Größenordnung von mindestens 10 bis 15 Leuten auf Dauer zu schaffen.

Aus konservativen Kreisen wird der Vorwurf erhoben, die Zusammenlegung diene der Stärkung der organisatorischen Strukturen der RAF, einer Festigung der Gruppe. Die Gefangenen haben dagegen betont, es geht ihnen um die Veränderung ihrer Haftbedingungen. Haben Sie darüber mit den dreien gesprochen?

Ich habe ihnen deutlich gemacht, was meine Intention und die der Fraktion ist, sich für die Zusammenlegung einzusetzen. Und die ist ganz bestimmt nicht, eine Kommandozentrale für den bewaffneten Kampf im Knast zu bewirken. Wir haben - und das war eine Auflage der drei Gefangenen - keine politische Diskussion über die unterschiedlichen Einschätzungen der Grünen und des Umfeldes der RAF geführt. Wir gehen von der Erklärung Helmut Pohls zu Beginn des Hungerstreiks aus. In ihr steht eindeutig, daß dieser Streik das Ziel hat, die Voraussetzungen zu einem Leben im Knast zu schaffen - unter Bedingungen, unter denen die persönliche und politische Identität irgendwie gewahrt werden kann. Das ist auch mein Ziel.

Interview: Wolfgang Gast