Todsichere Ankommer

■ 2 Stunden Non-Stop-Party mit „Fury in the Slaughterhouse“ im Römer Große Band auf zu kleiner Bühne, daher ein neuer Anlauf am 18.6. im Modernes

Nein, nicht der Jugendliebling aller heute Greißigjährigen sollte im Schlachthof kultisch dem Hakkebeil zugeführt werden, es kam ganz anders. Fury In The Slaughterhouse spielten nämlich im Römer und das zwei Stunden lang.

Auch sie konnten es nicht lassen. Viel Nebel, orchestrale Bombasttöne vom Band und sphärische Klänge im up-up-and-away -Gewand leiteten einen Schlagzeugbeat ein, der unzweifelhaft zu Radar Love von Golden Earring gehörte. Wieder falsch. Das Sextett (g'g'b'voc'kb'dr) aus der Keksmetropole in Niedersachsen führte sich mit einer enormen Klangfülle ein, die es vielschichtig einzusetzen wußte. Nachdem das Publikum gar über die Lautstärke abstimmen durfte, gewannen die Schlachthäusler die Sympathien der ZuhörerInnen im Handstreich. In einer kompakten musikalischen Atmosphäre spielten sie mit Keyboard- und Baßeffekten, und da brauchte sich auch Sänger und Frontmann W 59 mit seiner anfänglich recht weinerlichen Stimme nicht herauszuheben, aber das muß nichts Negatives bedeuten.

Nach einer halben Stunde drängte sich der Eindruck auf, es mit einer grundsouveränen Band zu tun zu haben. Auch wenn sie ein paar Längen nicht ganz verbergen konnten, spielten sie schon mehr nach vorn als in die klangliche Breite. Ohne Frage

konzipierten die sechs ihre Show für größere Bühnen. Ganz im Stile einer Supergroup inszenierten sie ihren Auftritt mit ruhigen spotbestrahlten Solopassagen, akustischen Gitarrensequenzen vor einem einsamen Drumrhythmus, um dann aufgebauscht und vielstimmig das Auditorium mit Klangwellen zu überrollen. Ganz die Situation für blinkende Feuerzeuge also. Und siehe da, kaum daß sie einen der wenigen Schlaftablettensongs mit Rotlichtnebeln anstimmten und dem opulenten Gestus der Stars ganz und gar verfallen waren, ging es schwupp, und die Feuerzeuge waren wirlich an. Im Römer!

Vorn rief jemand:“ Seid überzeugend“, und, kein Problem, sofort spielten sie wieder überzeugend, ganz wie zuvor. Gut eingespielt, grundsolide eben. Aber das war längst nicht alles. Denn

mit der Zeit lockerte das Publikum merklich auf, und die Niedersachsen machten es ihnen nach. „Endlich 'mal wieder einer mit 'ner Weinbuddel inner Hand“, sagte einer in Richtung Theke und das sollte wohl heißen: Ehrliche Rockmusik für ehrliche Leute. Ohne Atempause ging es von Jerry Lee Lewis über einen pornographischen Hip Hop zu punkigen Stücken. Flüssigkeiten spritzten in die ZuhörerInnen und tropften danach von der Decke. Es wurde sogar programmatisch. Von Drogensüchtigen im Knast war zu hören und laut marschie- rende Stiefel vom Band leiteten einen Song über das Abrichten junger Männer beim Militär ein. Weiter, immer weiter, nur nicht aufhören, schien die Devise. Zugabe über Zugabe prasselte von der Bühne herab, mit einer wahrhaft gekonnten Imitation eines

völlig alkoholisierten Pogues-Titels, deren Vorgruppe sie einmal waren. Unmöglich, auch nur annähernd die Fülle ihrer todsicheren Ankommer zu beschreiben, kabarettreif war es allemal.

Daß dennoch die Gedanken abschweifen konnten, lag an der Länge ihres Vortrages. Die manchmal martialischen Texte mochten nicht immer mit der runden, eingängigen Musik einhergehen und was spräche eigentlich gegen einen Vorschlag zur Güte? Geht doch mal nach Großbritannien, da kennen sie Euch nicht, für die Engländer kommt ihr nicht aus Hangover sondern aus West Germany und einen anderen Mi- scher bekämt ihr dann auch. Aber egal, jetzt wart ihr erst einmal hier in Bremen, und die Leute haben Euch geliebt. Das ist doch auch schon 'was.

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