Hungerstreik: Justizbehörde besetzt

■ Friedliche Aktion sorgte für ungewöhnliche Pressekonferenz: Senator Kröning für „Vorleistungen des Staats“ gegenüber den Hungerstreikenden / Forderung nach Zusammenlegung in Bremen abgelehnt

Für „Vorleistungen des Staates“ gegenüber den seit 63 Tagen für ihre Zusammenlegung hungerstreikenden politischen Gefangenen hat sich gestern Bremens Justizsenator Volker Kröning ausgesprochen. Kröning: „Die Herausforderung des Staats ist durch die lebensbedrohliche Situation von Karl -Heinz Dellwo und Christa Eckes so gewachsen, daß sich beide Seiten bedingungsloses Beharren nicht mehr leisten können.“ Auf einer - im Terminplan des Senators ursprünglich nicht vorgesehenen - Pressekonferenz im Lagerhaus Schildstraße wollte Kröning allerdings nicht konkretisieren, ob er sich unter „Vorleistung“ auch die geforderte Zusammenlegung aller Gefangenen in ein oder zwei Großgruppen vorstellen könne. Offensichtlich wollte Kröning den Ergebnissen einer gleichzeitig tagenden Justizminister -Konferenz in Bonn nicht vorgreifen, zu der er seinen Senatsdirektor Mayer-Schwinkendorf am Morgen mit der Direktive „Bewegung in Angelegenheit bringen“ und „Zusammenlegung in noch zu diskutierenden Formen vorschlagen“ geschickt hatte. Keinen Zweifel ließ Kröning daran, daß jetzt nötige Schritte zur Rettung von Menschenleben nur der Anfang eines „politischen Dialogs“ sein dürfen. Krönings Ziel: Terroristen zur Rückkehr zu gewaltfreien Formen politischer Auseinander

setzung zu bewegen. Ein Bremer Angebot, eine Großgruppe politischer Häftlinge in Bremer Gefängnissen unterzubringen, schloß Kröning aus politischen,

vollzugspraktischen und juristischen Gründen aus.

Die improvisierte Pressekonferenz an dem für den Justizsenator zumindest ungewöhnlichen

Ort und mit einem für ihn relativ ungewohnten Publikum war zustandegekommen, nachdem rund dreißig Autonome gestern morgen ab 11 Uhr die Behörde des Justizsenators besetzt hatten. Ihre Forderung: Angesichts der dramatischen Zuspitzung des Hungerstreiks solle Kröning eindeutig Position zur Forderung nach sofortiger Zusammenlegung beziehen und umgehend eigene politische Vorstöße unternehmen. Konkret forderten die Besetzer „ein Angebot zur Zusammenlegung der Gefangenen in Bremen Oslebshausen“.

Während seine Behörde besetzt war und der von der Aktion offensichtlich völlig überraschte Referent des Senators, Jürgen Hartwig, zu vermitteln suchte und den Besetzern ein Gespräch mit dem Senator im Laufe des Nachmittags ankündigte, saß der „unabkömmlich“ im Bremer Rathaus in der alldienstäglichen Senatssitzung. Dort wurde in der Folgezeit offensichtlich die Linie des Senats gegenüber der Besetzungsaktion festgelegt.

Gegen 12.45 gibt der Referent des Senators die inzwischen modifizierte Senats-Marschroute bekannt: „Verhandelt wird erst, wenn das Gebäude vollständig geräumt ist.“ Während die BesetzerInnen mit mitgebrachter Margarine Tartex-Brote schmieren und Pommes-Mayo organisieren, legen sie ihr „letztes Angebot“ fest:

Die Besetzung wird erst aufgehoben, wenn der Senator an einem noch zu vereinbarenden Gesprächs-Ort eingetroffen ist. Gegen 13.30 trifft die telefonische Antwort aus dem Rathaus ein: Abgelehnt. Der Bremer Justizsenator beugt sich einer Besetzung auch nicht, indem er unter ihrem Eindruck zu einem Gesprächstermin mit den BesetzerInnen aufbricht. Gegen 14.30 reagieren die BesetzerInnen darauf mit einem Kompromiß: Gegen das Ehrenwort des Senators, an einer gemeinsamen öffentlichen Pressekonferenz zu den Forderungen des Hungerstreiks teilzunehmen, räumen sie das Gebäude gegenüber vom Zentralbad und brechen auf ins Lagerhaus Schildstraße. Gegen 15.07 trifft dort auch Kröning mit geringer Verspätung ein und wird mit Sprechchören begrüßt: „Iso-Haft ist Folter, Iso-Haft ist Mord - Zusammenlegung jetzt sofort.“

Nach einer guten Stunde steht Kröning von seinem Stühlchen vor einem Transparent „Zusammenlegung der Gefangenen aus RAF und Widerstand in ein oder zwei Großgruppen JETZT“ auf und hinterläßt eine ungehaltene Versammlung. Das „Gelaber“ des Senators übersetzen vieleder Zurückbleibenden in: „Kröning nimmt bewußt Tote in Kauf, solange die politischen Gefangenen dem politischen Kampf nicht abschwören.“

K.S.