Zwischen SPD und Autonomen: AL springt im Dreieck

■ Alternative luden zum Ratschlag über Baupolitik in den Mehringhof ein / BesetzerInnen buhten die Alternativen aus / AL-Baupolitiker würden am liebsten Schluß machen mit den Autonomen / Franziska Eichstädt: Besetzer wollen sich „nur inszenieren“

Von „Haßliebe“ sei das Verhältnis der AL zu den BesetzerInnen geprägt, meinte am Montag abend der AL -Politiker Harald Wolf und traf damit den Punkt. Die AL hatte zu einem „Ratschlag“ über die Wohnungs-, Besetzungs und Räumpolitik in den Mehringhof geladen. Folge: Eine größere Gruppe von BesetzerInnen war zwar gekommen - machte der AL aber eine Szene, buhte sie aus. Folge der Folge: die ausgebuhten Alternativen (Wer verrät uns schneller? Die ALer!“) zogen sich beleidigt ins Rathaus Kreuzberg zurück, um ohne BesetzerInnen zu diskutieren.

Die AL springt offensichtlich im Dreieck: zwischen dem Flirt mit den BesetzerInnen und der Vernunftehe mit der SPD. GA-Mitglied Wolf will auch in Zukunft Bündnisse mit dem autonomen Spektrum schließen. Franziska Eichstätt, von der AL als künftige Kreuzberger Baustadträtin nominiert, kann sich die „Neuautonomen“ von heute dagegen nicht mehr als wohnungspolitische Verbündete vorstellen. Sie stritt den BesetzerInnen rundweg ab, ein ernsthaftes Anliegen zu verfolgen. Die Wohnungsnot werde von ihnen „nur benutzt, um sich selbst zu inszenieren“, meinte die ehemalige Stattbau -Managerin. Ihre Position: Die AL als Regierungspartei in Bezirk und Senat müsse „erst alle legalen Mittel ausschöpfen“.

Widerspruch dagegen kam ausgerechnet von Bauexperte Volker Härtig. Er kann es sich „durchaus vorstellen“, daß auch die AL mal wieder ein Haus besetzt, natürlich eher „symbolisch“. Die Instrumente der Regierungspolitik reichten nicht aus, jeden Fall von Leerstand zu verhindern. „Mit dem Gummisäbel“ müsse da gegen „Granitblöcke“ gekämpft werden, weiß auch der scheidende Kreuzberger Baustadtrat Orlowsky. Trotzdem fühlt er sich „mehr Leuten verantwortlich“ als diesen „Grüppchen“. Die größten Leidtragenden bei Besetzungen von Modernisierungshäusern seien die türkischen Mieter, assistierte Eichstätt. Die seien in solchen Fällen „total hilflos“, weil ihnen der Mut fehle, ihre Ansprüche zu erheben. Besetzungen kosteten „unheimlich viel Kraft“, warf ein Mann ein; die brauche man aber zum reformerischen Regieren.

Einig war sich die Runde gleichwohl, daß Besetzungen von Spekulationshäusern durchaus „legitim“ seien. Einigkeit herrschte auch, daß die AL gegenüber dem Koalitionspartner SPD offensiver auftreten müsse. „Nur auf der Ebene von Presseerklärungen“ habe die AL der Räumungslinie von SPD -Innensenator Pätzold etwas entgegengesetzt, klagte Wolf. Auch Härtig sah eine „extreme Schwäche“ der AL darin, daß die Partei keine klare Position zum Umgang mit Besetzungen habe. Sein eigener Vorschlag fand keinen Widerspruch: in jedem Fall dreimal 24 Stunden lang den Versuch zu unternehmen, mit BesetzerInnen zu reden. Aber auch für Härtig ist es eine „Illusion“, das Verhältnis zu den Jungautonomen wirklich klären zu können.

Eine Stunde vorher im Mehringhof erschien das Verhältnis zwischen AL und BesetzerInnen in der Tat zerrüttet. Harald Wolf hatte vergeblich um Verständnis geworben. Der Geschäftsführende Ausschuß der AL habe die eiligen Räumungen vor zwei Wochen doch für falsch gehalten und dies öffentlich erklärt, meinte der Ex-Fundi. Bei spekulativem Leerstand sei eine Besetzung legitim, ja „angesagt“, versicherte Wolf gar szenetümelnd. „Aber ihr habt wieder ein Haus geräumt“, hielten die BesetzerInnen ihm entgegen. Einige dutzend Schwarzgekleidete hatten sich im Blauen Salon des Mehringhofs eingefunden - und gaben der AL die Schuld an der Beziehungskrise. Daß die Partei „immer nur labert und die anderen handeln“, warf ein Besetzer ihr vor. Kaum ein Alternativer durfte ausreden, schon gar nicht, wenn er die Diskussion einforderte.

„Reine Provokation“, daß die AL zu einer Veranstaltung in den Mehringhof geladen hatte, meinte ein Besetzer. Solch verlogene Annäherungsversuche wiesen die BesetzerInnen zurück; gekommen waren sie trotzdem, und als die ParteipolitikerInnen den Saal verlassen hatten, blieben die jungen Autonomen reichlich ratlos zurück.

Emotional reagieren auch die alternativen Regierungspolitiker. „Wer tritt denn außer der AL überhaupt noch für die Leute ein?“ erregte sich Orlowsky über die Zurückweisungen. „Die ziehen doch die Grenze“, meinte der alte Kreuzberger Baustadtrat, und auch seine Nachfolgerin Eichstädt wollte die Schuld an der Beziehungskrise am liebsten auf die störrischen Ex -Verbündeten abschieben. „Ich habe das unheimlich genossen“, meinte Eichstädt zu dem Auftritt der BesetzerInnen. Das habe doch bewiesen, was viele in der AL noch nicht sehen wollten: die Partei müsse sich entscheiden, was sie von den Autonomen wolle.

Mit seinem Wunsch, die „fatale Polarisierung“ aufzubrechen, drang Parteirepräsentant Wolf nicht mehr so recht durch. Von Wolfs „Tiefenpsychologie“ wollte Werner Orlowsky nichts wissen. Orlowsky empört: „Als die mein Büro besetzt haben, haben die sich aus meiner Kaffeemaschine bedient, ohne mich zu fragen. Deshalb habe ich den Raum verlassen.“

hmt