Die teilweise Enthüllung der „falschen Pharaonen“

Lonrho-Chef läßt seine Zeitung 'Observer‘ gegen die britische Regierung schießen  ■  Aus London Rolf Paasch

An sich wäre der Kampf zweier aufgeblasener Egos um den Besitz des britischen Edelkaufhauses „Harrods“ unerheblich wenn er nicht erneut die nahezu hemmungslose Bereitschaft der Regierung Thatcher offenbaren würde, gegen politisch unliebsame Spionagememoiren, Untersuchungsberichte und ähnliche „facts“ vorzugehen, all das, was nach Ansicht der Downing Street die britische Öffentlichkeit nichts anzugehen hat. Denn die in Großbritannien meist indischen Zeitungshändler hatten am vergangenen Donnerstag die Sonderausgabe der Wochenzeitung 'The Observer‘ noch nicht ausgepackt, da ereilte sie auch schon eine von Industrieminister Lord Young erwirkte einstweilige Verfügung: Die Veröffentlichung von Auszügen aus einem internen Untersuchungsbericht zu der umstrittenen Übernahme des Londoner Luxuskaufhauses durch die ägyptische Familie Al -Fayed war ab sofort verboten.

Seitdem das „Spycatcher„-Verfahren, die Veröffentlichung von Memoiren über den britischen Geheimdienst, einen Präzedenzfall geschaffen hat, reicht eine telefonisch ausgesprochene richterliche Verfügung gegen nur ein Presseorgan bereits dazu aus, um die gesamten britischen Medien zum Schweigen zu bringen. So auch in diesem Fall. Von nun an durfte niemand mehr drucken, was die Inspektoren des Industrieministeriums in ihrem 752-Seiten-Report über die 615 Millionen Pfund oder zwei Milliarden Mark teure Übernahme der Warenhauskette „House of Fraser“ (zu dem auch Harrods gehört), herausgefunden hatten.

Käufer waren die Brüder Al-Fayed; und deren Anführer Mohammed hatte bei der Vorlage seiner finanziellen - und anderweitigen - Glaubwürdigkeitsbelege ganz nett angegeben, um nicht zu sagen: geschwindelt. Denn so schwer wie die Reederei-, Hotel- und Landhausbesitzer aus dem Land der Pharaonen getan hatten, waren die ägyptischen Brüder gar nicht. Ja, sie schienen einen beträchtlichen Anteil des Kaufpreises für das House of Fraser nicht mit eigenem Geld, sondern mit einem Scheck des Sultans von Brunei bezahlt zu haben, was sie vorher hätten angeben müssen.

„Bloßgestellt: Die falschen Pharaonen“ titelte der 'Observer‘ denn seine nur zum Teil abgefangene Sonderausgabe. Spätestens an dieser Stelle wird dem unbedarften Beobachter der Saga klar, daß sich „Tiny“ Rowland, Chef des mächtigen Lonrho- Konzerns, dem auch der 'Observer‘ gehört, mit den Al-Fayed-Brüdern im Kampf um den Edelschuppen Harrods auf dem Kriegspfad wähnt. Denn daß die Ägypter ihm mit Harrods das luxuriöse Objekt seiner langjährigen Begierden 1985 weggeschnappt hatten, das hat der Herrscher über das 1,5 Milliarden Pfund schwere Lonrho -Imperium mit starken Interessen in Südafrika bis heute nicht verwunden. Erst recht nicht, wo die konservative Regierung ihm die Übernahme des House of Fraser 1981 durch das Anrufen der Monopolkommission vermasselt hatte.

Als Lonrho vor zwei Wochen den Bericht der Untersuchungskommission des Industrieministeriums über die fragwürdigen Praktiken bei der Übernahme von Harrods anonym zugespielt bekam, sah Tiny Rowland endlich die Zeit für seine Rache gekommen. Durch die Veröffentlichung von Auszügen aus dem kritischen Bericht in seinem Hausblatt hofft der Lonrho-Chef nun die Regierung blamieren und zur Publikation des Berichts zwingen zu können. Nach einer erfolgreichen Strafverfolgung der Al-Fayeds, so spekuliert der Busineß-Tycoon, wäre dann endgültig der Weg für ihn frei, sich den glitzernden Konsumtempel im Londoner Viertel Knightsbridge am Ende doch noch kaufen zu können.

Die Regierung Thatcher hat dagegen gute Gründe, auf dem bereits seit Juli 1988 fertiggestellten Untersuchungsbericht sitzen zu bleiben. Die Inspektoren beschuldigen darin nämlich nicht nur die Fayed-Brüder der betrügerischen Täuschung, sondern auch die staatlichen Aufsichtsbehörden des völligen Versagens bei der Übernahme-Kontrolle. Die Al -Fayeds hatten beim Kauf des House of Fraser nicht nur ihre beratende Börsenfirma Kleinwort Benson hinter's Licht geführt, sondern auch dem Industrieminister und dem „Office of Fair Trading“ (dem in Großbritannien die Kontrolle der Geschäftsgebaren obliegt) ein X für ein U beziehungsweise Milliarden- für Millionenbeträge vorgemacht.

Noch allerdings will Industrieminister Lord Young ein Berufungsurteil des Obersten Gerichts abwarten, ehe er den Untersuchungsbericht möglicherweise freigibt. Bis dahin, so hat der 'Observer‘ am Montag vor Gericht einen typisch englischen Vergleich erreicht, darf der Bericht zwar nicht von der Presse abgedruckt, wohl aber von Abgeordneten im Unterhaus zitiert werden, was wiederum in der Presse wiedergegeben werden darf.