Industrie lauert auf Korea-Auftrag

■ Hersteller von Hochgeschwindigkeitszügen kämpfen um neuen Markt / Seoul will bis zur Jahrtausendwende Milliarden investieren / Deutsche Gruppe unter Siemens mit im Rennen

Seoul (afp) - Nach Spanien ist jetzt Südkorea der Markt, auf dem die internationalen Hersteller von Hochgeschwindigkeitszügen in den kommenden Monaten um den Zuschlag für einen lukrativen und prestigeträchtigen Großauftrag ringen werden: Die südkoreanische Regierung will quer durch das Land zwei Strecken für Hochgeschwindigkeitszüge entstehen lassen, um die Hauptstadt Seoul mit der Küstenmetropole Pusan im Südosten und mit Kangnung im Nordosten zu verbinden. Das Streckennetz soll die seit Jahren überlasteten Straßen-, Bahn- und Flugverbindungen zwischen den drei südkoreanischen Städten entlasten.

Als ausländische Anbieter für die benötigte Spitzentechnologie stehen drei Unternehmensgruppen in den Startlöchern, die bereits in Spanien die Kräfte hatten messen können: Eine von Siemens angeführte deutsche Gruppe, die den ICE an den Mann bringen will, die französische Alsthom International mit dem TGV - für den sich Madrid entschieden hatte - und der japanische Mitsubishi-Konzern mit seinem „Shinkansen“. Der Plan für den Aufbau des Streckennetzes wurde vor zwei Wochen vom Verkehrsministerium in Seoul veröffentlicht; noch im Laufe des Aprils soll nun der Beraterstab zusammengesetzt werden, dessen Aufgabe es sein wird, eine Vorauswahl unter den offerierten Technologien zu treffen. Zwischen August 1991, dem geplanten Baubeginn, und dem voraussichtlichen Datum der Fertigstellung im Sommer 1998 will Südkorea zwischen 7,15 und 7,75 Milliarden Dollar für die Hochgeschwindigkeitszüge investieren. Den Löwenanteil dieser Summe - rund zwei Drittel - wird die 380 Kilometer lange Verbindung Seoul -Pusan verschlingen, die mit Sicherheit auch wirtschaftlich am rentabelsten sein wird. 25 Flugzeuge verkehren täglich zwischen den beiden größten Städten Südkoreas, und die Maschinen sind im Durchschnitt zu über 70 Prozent ausgelastet. Aus dem Ausland will sich Südkorea nur das „rollende Material“ - Loks und Wagen - holen, die aufwendige Trassenlegung werden einheimische Betriebe übernehmen. Der Wettbewerb zwischen ICE, TGV und „Shinkansen“ wird sich nicht nur an finanziellen und technologischen Argumenten, sondern auch an politischen sprich diplomatischen Gegebenheiten orientieren. Anders als in Spanien, das als EG -Land bei der Auftragsvergabe auf die europäische Herkunft der gewünschten Hochgewindigkeitszüge geachtet hatte, hat Japan in Südkorea durchaus Chancen, das Rennen zu machen. Der „Shinkansen“ verfügt zwar nicht über die aktuellste Technologie, ist aber vergleichsweise günstig im Preis. Er bietet Seoul als Mitsubishi-Produkt einen weiteren Vorteil: Mitsubishi ist in einzelnen Wirtschaftsbereichen mit dem südkoreanischen Großkonzern Hyundai verquickt, der zusammen mit der Daewoo-Gruppe immer wieder als möglicher südkoreanischer Partner im Falle einer koreanisch -ausländischen Gemeinschaftsproduktion des Superzuges genannt wird. Nach gescheiterten Arbeitskämpfen mit der Gewerkschaftsführung der Firma Hyundai verbrannten sich gestern ein südkoreanischer Gewerkschaftsfunktionär und fünf seiner Arbeitskollegen.