Gemütlicher Plausch unter Freundinnen

■ Ein besinnliches Treffen autonomer Frauen mit der neuen AL-Senatorin Anne Klein in der Kreuzberger Schokofabrik

„Eine von uns“ ist Senatorin. Und wie fühlen wir uns jetzt? Darum ging es am Dienstag abend im Kreuzberger Frauenzentrum Schokofabrik. Nachdem die Berliner FrauenfrAKTION ihrer Kandidatin in turbulenten Tagen an die Spitze verholfen hatte, stand nun Besinnliches auf der Tagesordnung. „Staatsfeminismus und feminisitische Einmischung nach den Berliner Senatswahlen“, lautete der offizielle Titel. Da war viel von Verunsicherung die Rede und der Suche nach einem neuen Selbstverständnis: „So viele Jahre ist die Frauenbewegung in der Opposition und plötzlich darf eine Feministin der Verwaltung Anweisungen geben“. (Halina Bendkowski) Da müssen ja Identitätskrisen auftauchen. Aber so schlimm war es dann auch wieder nicht. Im Grunde freuen sich alle, daß Anne Klein es geschafft hat und wünschen ihr alles gute. Denn wir wissen ja: Das mit der Verwaltung wird schon ganz schön schwierig und soviel Geld gibt es auch nicht.

Die Frauen, die reden wollten, redeten, und die anderen hörten zu. Kein Streit, keine Aufregung. Der vorangegangene Konflikt zwischen Anne Klein und Helga Hentschel (AL) war kein Thema, Halina Bendkowski versicherte, daß zwischen FrauenfrAKTION und dem AL-Frauenbereich bestes Einverständnis herrsche - „wir telefonieren täglich miteinander“. Warum die Frauensenatorin in ihrem Schlußwort mit dem Rosa-Luxemburg-Zitat („Der Weg ist wichtiger als das Ziel“) die Veranstaltung als „destruktiv“ bezeichnete, war dann die Überraschung des Abends. Die ganze Zeit hatte sie lächelnd zugehört und sich nicht echauffiert. (Und auch die Frage nach der Zukunft der Ex-Frauenbeauftragten Carola von Braun erneut nicht beantworten wollen: „Ich treffe hier keine Einzelfrauentscheidung.“) Warum also „destruktiv“? Es meldete sich doch nur eine Autonome zu Wort, und auch bei ihr gab es nur ganz zivilisierte Kritik. „Ich verstehe diese ganze Euphorie nicht“, hatte sie sich geäußert. „Wir können uns nicht darauf verlassen, daß sich unter dem neuen Senat viel ändert.“ Aber damit stand sie wirklich alleine da. Rot -Grün-Lila fand bei den allermeisten der anwesenden Frauen das größte Wohlwollen, bishin zu dem ergreifenden Geständnis einer Diskutantin, sie könne sich beim besten Willen nicht zu Anne Klein in Opposition fühlen. Auch Sabine Zurmühl warnte vor „negativem Mißtrauen“ und nannte es einen „historischen Zeitpunkt“ für die Frauenpolitik.

Mehr Aufregung gab es um Christa Nesemann von der AK Staatsknete, dem Projektekreis, der sich seit Jahr und Tag um den Staatssäckel bemüht. Die 50-Millionen-Forderung für Frauenprojekte hätten sie fallengelassen, das sei eine „plakative“ Forderung aus der Oppositionszeit gewesen. Und sie sei froh um diese „realpolitische“ Haltung. Das war dann doch zuviel: „Warum diese falsche Bescheidenheit?“ wollte Ulrike Helwerth wissen. Setze frau politisch nichts mehr in Bewegung, wenn Anne Klein erklären müsse, dieser Senat hat nicht soviel Geld für Frauen übrig? Aber - so hielt die Staatsknete-Frau entgegen, es gehe eben nicht nur um eine Klientel-Politik. Die fände sie „lobbyistisch und kleinkrämerisch“. Und sie sei sehr froh gewesen, daß nicht alle mit ihrem Wunschzettel ankommen. Wie viele Erwartungen aber in punkto Geld und Pöstchen bei Rot-Grün doch gesetzt werden, macht folgende Anekdote deutlich: Nachdem speziell die taz den Einfluß der FrauenfrAKTION bei der Senatorinnenkür beschrieben hatte, gab es bei Halina Bendowksi Anrufe wie „Ich bin arbeitslose Juristin. Könnt ihr mich nicht bei Rot-Grün unterbringen?“

Helga Lukoschat