Konferieren statt Wohnen?

■ Alte Feuerwache Lindenstraße 40/41 soll zur Kiezbegegnungsstätte umgebaut werden / BewohnerInnen protestieren gegen die Vernichtung von Wohnraum

Die Lindenstraße 40/41: keine uninteressante Adresse. An der Mauer, zwischen Springer-Hochhaus und der Bundesdruckerei, liegt die alte Feuerwache. Im Hof stehen alte Autos und Badewannen, in die jemand Blumen gepflanzt hat. Aus einem offenen Fenster schallt Musik. Ungefähr 70 junge Leute wohnen zur Zeit - die meisten davon in Wohngruppen - in dem alten Gebäudekomplex. Im 19.Jahrhundert war hier die Berliner Hauptfeuerwache untergebracht. Doch diese Idylle ist nur eine scheinbare.

Für den Gebäudekomplex sind umfangreiche Umbaumaßnahmen vorgesehen. Der Bund Deutscher Pfadfinder (BDP) als Pächter der Lindenstraße 40/41 und das Bezirksamt Kreuzberg planen, das Haus zu einer Kiezbegegnungsstätte und einem Jugendfreizeitheim umzubauen. Dadurch, so befürchten die BewohnerInnen, wird etwa die Hälfte der bisherigen Wohnfläche wegfallen.

Baubeginn soll nach Angaben des Bund Deutscher Pfadfinder Mai/Juni dieses Jahres sein. Doch das hören die BewohnerInnen schon seit einigen Jahren. Sie fühlen sich inzwischen von den Pfadfindern „total verschaukelt“. In einem offenen Brief wandten sich die BewohnerInnen nun an die Öffentlichkeit. Rund die Hälfte von ihnen hat die Kündigung der Mietverträge zum 30.April in der Tasche.

„Das bedeutet, daß Anfang Mai diese Personen auf der Straße stehen werden.“ Die anderen erfuhren inzwischen von einem Vertreter des Hochbauamtes, daß ein Verbleib in den Wohnungen während der Umbaumaßnahmen seiner Ansicht nach unmöglich sei. „Unsere Wohnsituation ist somit völlig ungeklärt“, beschweren sich die MieterInnen. Der angekündigte Baubeginn wurde in der Vergangenheit immer wieder verschoben.

Hinzu kommt: Wie mit dem BDP war ausgemacht, daß die AltmieterInnen auch während der Baumaßnahmen im Haus verbleiben sollten. Sie wurden zum Teil bereits innerhalb des Hauses umgesetzt. Acht Monate sollte die Umsetzphase dauern: „Jetzt sind wir schon zwei Winter im Vorderhaus“, beschwert sich ein Bewohner. Vier Etagen standen wegen der Umsetzmaßnahmen eine zeitlang leer, wurden dann aber von dem BDP mit befristeten Verträgen mit jeweils monatlicher Verlängerung vermietet.

Die Umbaupläne für die alte Feuerwache sind bereits 1983 im Rahmen der IBA-Planung für die südliche Friedrichstadt entstanden. Für das Haus Lindenstraße, das dem Grundstücksamt gehört, wurde damals ein neuer Pächter gesucht. Der BDP legte eine Konzeption für eine Kiezbegegnungsstätte vor und wurde akzeptiert. Die damalige Planung sah unter anderem ein Jugendfreizeitheim, eine Tagungsstätte für Bildungsarbeit, ein Stadtteilcafe und Wohnfläche für alternative Formen des Zusammenlebens vor.

Das wurde in der Lindenstraße 40/41 zu der Zeit bereits rege praktiziert. Punks, Gruftis, Autobastler, sogenannte „Schrauber“, Musiker sowie Künstler wohnten und arbeiteten in dem Haus. Mit den meisten Altmietern schloß der BDP daher bis 1992 - allerdings befristete - Mietverträge ab.

Daß angesichts der akuten Wohnungsnot in Berlin Wohnraum vernichtet werden soll, halten die BewohnerInnen für unzumutbar. „Aus unserer Wohnung sollen Konferenzzimmer werden“, beklagt sich eine Wohngruppe. Hier soll das vorgesehene Jugendgästehaus hin, das nach Angaben des BDP -Vertreters Tobias Prey „zentraler Bestandteil“ der Umbauplanung ist.

Die BewohnerInnen wollen jedoch für den Erhalt der Wohnfläche kämpfen. Sie haben den Bund Deutscher Pfadfinder deshalb aufgefordert, die bisherige Planung noch mal zu überprüfen.

guth