500 km vom 1.Weinstock entfernt

■ 32-jähriger Weinbauingenieur von der Mosel wird neuer Ratskellermeister in Bremen / Maritimgruppe übernimmt Gastronomie im Ratskeller

Dichter, Denker und Opernsänger - schlicht die großen Persönlichkeiten aller Zeitepochen - haben ihn mit den feinsten Worten und in den höchsten Tönen gelobt und ihm eine geistig belebendende Wirkung zugesprochen. Und auch heute gilt noch: Überall, wo was los ist, gehört er dazu. Ob nun auf der festlich gedeckten Tafel einer Hochzeitsgesellschaft, dem grünen Tisch einer Politikerrunde oder in der Plastitüte des Penners auf der Parkbank nirgends darf er fehlen.

Die Rede ist vom Saft aus der süßesten Frucht unter dem Himmel, dem Wein. Und da kann Bremen, trotz seiner geographischen Lage inmitten der norddeutschen Hopfen-und Malzregion durchaus ein gewichtiges Wort mitreden. Mit dem im fünfzehnten Jahrhundert erbauten Ratskeller verfügt die Hansestadt über einen der bedeutendsten und bekanntesten Weinkeller in der Bundesrepublik. Und seit dem 1. April gibt es hier einen neuen Ratskellermeister. Er heißt Karl-Josef Krötz, ist 32 Jahre jung und stellte sich gestern der Presse vor.

Der neue Ratskellermeister

kommt von der Mosel und tritt die Nachfolge von Heinz ten Dornkaat an, der trotz dieses Namens als großer Weinkenner gilt und Mitte letzten Jahres aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand trat. Krötz konnte sich gegen 44 MitbewerberInnen - die Stelle war vom Aufsichtsrat der Ratskeller GmbH bundesweit ausgeschrieben worden durchsetzen. „Er hat in den Eignungstests ausgezeichnete Leistungen erzielt“, versicherte Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Andreas Fuchs gestern den JournalistInnen.

Gefragt waren Weinverstand, Probensicherheit und ein „enormes Gespür, wie der deutsche Kunde wieder an den deutschen Wein herangeführt werden“ könne. Und diese Fähigkeiten hat Krötz von der Pieke auf gelernt. Nach dem Abitur studierte er sechs Semester Weinbau, um dann als jüngster bundesrepublikanischer Weinbauingenieur nach dieser Zeit der grauen Theorie die Praxis in einem großen Weinbaubetrieb zu erlernen. Wie weit diese Zeit glykolvernebelt war, sagte er gestern nicht. Von dort aus machte er dann den Karrieresprung auf den Platz des Bremer Ratskellermeisters. Eigent

lich nicht besonders verwunderlich, wenn man weiß, daß das Gebutsjahr des neuen Kellerkönigs nicht nur ein gutes Weinjahr war, sondern in die Geschichte des Traubensafts auch als das Jahr des Weltraumstürmers eingegangen ist.

Der jung-dynamische Stürmer hat sich einen guten Zeitpunkt für seinen Arbeitsantritt ausgesucht. Nach schwierigen Jahren, in denen durch die Einführung der Promillegrenze und die umfangreichen Umbauarbeiten im Ratskeller sowohl der Weinverkauf ab Lager als auch der Weinausschank in der Gastronomie erheblich zurückgegangen war, ist nun die „Durststrecke“ überstanden, meint Fuchs.

Die Bauarbeiten werden zum Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. Insgesamt ist dann für die Erhaltung und Restauration der historischen Bausubstanz ein Betrag von etwa fünf Millionen Mark ausgegeben worden. Bis dahin muß aber insbesondere noch für eine „adäquaten Beleuchtung“ in den berühmten Kellerräumen gesorgt werden. Hierfür ist eine europaweite Ausschreibung vorgenommen worden.

Die Räume sind von Beginn kommenden Jahres an die Mari

timgruppe verpachtet. Die will den Besuch in den histroischen Räumen unter dem Politzentrum der Hansestadt in ihr Tagungspaket-Angebot für die auswärtigen Gäste mit aufnehmen und damit einen guten Besuch gewährleisten. Im Weinhandel hat man sich intensiver der Pflege der Einzelkunden angenommen und sieht ebenfalls einer rosigeren, halbtrochenen Zukunft entgegen.

Karl-Josef Krötz fühlt sich in Bremen schon heimisch. Zwar „500 Kilometer vom ersten Weinstock entfernt, aber von Roland und Stadtmusikanten bewacht“, sieht er seine Hauptaufgabe darin, die Weinkarte zu vervollständigen. Dabei bleibt allerdings das eiserne Prinzip des Hauses bestehen: Kein Bier und keine ausländischen Weine. Aber neuen Wegen will er sich nicht verschließen. So soll zukünftig auch biologisch angebauter Wein in die Angebotskarte aufgenommen werden. „Der ist nach wissenschaftlichen Untersuchungen zwar garnicht schadstoffreier, spricht aber trotzdem insbesondere jüngere Kunden an. Die haben dann das Gefühl, etwas Natürliches zu trinken“. Und diese Kundenschichten will der neue Kellergeist gewinnen.

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