Kosmetik - selbst zusammengeschüttet

■ „Spinnrad“ am Ostertorsteinweg gehört zu einer Ladenkette, die Kosmetik-Zutaten verkauft / Kundin: „Da weiß ich, was drin ist“ / Nicht nur Natur, auch Synthetisches / Als „Geburtshelfer“ fungiert WDR-Fernsehmoderator

Das „Spinnrad„-Rezept des Monats November empfiehlt „Nachtcreme mit Gelee Royal“. Es ist etwas für Fortgeschrittene und besteht aus nur vier Zutaten: Darunter 10 g Sheabutter, 20 g Lamecreme und 30 g destilliertem Wasser. Das Rezept samt Zutaten gibt es in der „Spinnrad„ -Filiale am Ostertorsteinweg, einem von über 60 Ablegern der aufstrebenden Ladenkette. Die KundIn kann sich in ihren Plastik-Einkaufskorb die unterschiedlichsten Ingredienzen räumen: Tütchenweise „Kakaobutter“, „Sonnenfilter“ und „Zahnweiß“. Fläschenweise „Glyzerin“ und im Braunglas weißes Pulver hinter dem Etikett „Heidelbeere“. Besonders AllergikerInnen freuen sich über das genau ausgewiesene Angebot.

Die einmalige Grundausstattung - Diätwaage, Thermometer, Bechergläser - kostet 25 bis 35 Mark, 50 ml von der selbstgemixten Creme nur noch zwischen 2 und 4 Mark. Eine Kundin, die ihren Korb bereits voll mit Plastikflaschen geräumt hat, will zu Hause ein halbes Jahr lang damit Seife herstellen: „Da weiß ich, was drin ist. - An Cremes hab ich mich noch nicht rangetraut.“

Zwar waren gestern vormittag auch drei männliche Kunden im Laden, aber Filialleiterin Angelika Wigger „hätte gerne mehr Männer“. Die gelernte pharmazeutisch-technische Assistentin

bedauert: „Die meisten Frauen machen es den Männern leicht und kaufen einfach alles für die mit.“ Sie habe aber auch schon erlebt, daß ein Mann sich im Laden fürsorglich an seine Begleiterin gewandt habe: „Schätzchen, welchen Lippenstift soll ich Dir denn jetzt machen?“

„Spinnrad“ lebt weniger von der Mund-zu-Mund-Propaganda der KundInnen als vom (Kabel)-Fernsehen. Genauer: Vom WDR -Fernsehmoderator Jean Pütz, der 1986 zum ersten Mal in seiner Sendung „Hobbythek“ Cremes selbst anrührte und seither mit einer Kollegin diverse Rezeptbücher herausgab. „Spinnrad„-Mitarbeiterin Angelika Wigger: „Wir versuchen immer, mit seiner Sendung gleichzuziehen. - Eine Hand wäscht die andere.“ Vorgestern propagierte Pütz in der „Hobbythek“ umweltfreundliche Waschmittel und empfahl u.a. „Spinnrad“ zum Einkaufen. Am Tag darauf, also gestern, standen die Waschmittel und die fernsehschauenden KäuferInnen bei „Spinnrad“ im Laden.

Mit den meist natürlichen„Spinnrad„-Zutaten läßt sich noch viel mehr als Feuchtigkeitscremes, Seifen und Waschmittel mixen: Fußcremes, Zahncremes und Schuhcremes, Lippenstifte und Lidschatten, Deo-Puder und Badezusätze. Es fehlt mangels Umweltfreundlichkeit - nur noch

Nagellack.

Angefangen hat Pütz mit Hautcremes, die vor allem aus Fett und Wasser bestehen - plus einem „Emulgator“, der die bei

den verbindet. Die KundIn stellt zunächst eine „Fettphase“ her, die sich eineinhalb Jahre im Kühlschrank hält. Die Fettphase besteht aus einem Öl (sei es nun Son

nenblume oder Jojoba) und einem Emulgator. Beides wird auf einer Herdplatte zusammengeschmolzen. Will die Kundin ihren Cremevorrat erneuern, muß sie ei

nem Teil der „Fettphase“ Wasser zusetzen. In diesem selbstbestimmten Prozeß der Kosmetikherstellung gibt es jedoch zwei Problem-Substanzen: Erstens den Emulgator. Für den empfahl Pütz nämlich jahrelang Synthetisches. Beispielsweise „Tegomuls 90 S“. Seit neuestem stehen er und seine AnhängerInnen auf dem natürlichen „Lecithin“, gewonnen aus Dritte-Welt-Sojabohnen.

Das nächste Problem heißt „Konservierung“. Denn sobald Wasser an die „Fettphase“ gekippt wurde, wird die Creme zumindest bei häuslicher Herstellung - zum Nährboden für Bakterien. Spätestens nach acht Tagen beginnt die Zersetzung im Tiegel. Als Konservierungsmittel empfahl „Spinnrad“ jahrelang „Eoxyl K 100“, was „Ökotest“ kürzlich anprangerte. Ganz hundertprozentig weiß die KundIn also meist doch nicht, was sich in den Zutaten genau verbirgt. Und will sie „Gelee Royal“ zusammenbrauen, muß sie auch ein Stück Nicht-Natur in Kauf nehmen: 20 g synthetische Lamecreme.

B.D.