Staatsgeld für Wallraff-Firma

■ Gewerkschafter prangern Leiharbeit auf den Bremer Staatswerften an / Apell an Wedemeier „Sklavenhändler“ wollte keinen Betriebsrat dulden und warf IG Metaller hinaus

„Wenn man nachts oder an den Wochenenden mal über unsere Werft geht, dann fühlt man sich an das Buch von Günter Walraff erinnert“. Das sagte Volker Mertens (Name geändert), Betriebsrat auf der Bremerhavener Lloydwerft am Mittwoch auf einer Pressekonferenz der Grünen. Denn dann seien dort Kolonnen von Arbeitern beschäftigt, von denen niemand auf den Lohnlisten der Werft stehe, weil sie bei Verleihfirmen angestellt seien. Ihre Löhne lägen bis zu vier Mark unter denen der Werftarbeiter, ihre Arbeitszeit sei faktisch unbegrenzt. Ein Fünftel der Arbeitsstunden, die auf der Werft geleistet würden, entfalle auf solche Leiharbeiter. Wenn eilige Reperaturaufträge im Dock liegen, die den guten Ruf der Werft begründet haben, dann würden schlagartig noch viel mehr Leiharbeiter angeheuert.

In die personalpolitsche Klemme gerieten die Werften, weil sie im Herbst des vergangenen Jahres mehr als 600 Werftarbeiter in den vorgezogenen Ruhestand schickten und zur Finanzierung dieses Programms Gelder der Europäischen Gemeinschaft in Anspruch nahmen. Neueinstellungen sind vertraglich ausgeschlossen. Jetzt haben die Werften reichlich Auf

träge und zuwenig Leute.

Gegen Betriebsräte im eigenen Haus führen die„Sklavenhändler“ einen erbitterten Kampf. Nach dem er fünf Jahre lang arbeitslos gewesen war, hatte Jörg Schnell (Name geändert) im Herbst 1988 bei der Verleihfirma Spitzkowski angeheuert. Im Fe

bruar versuchte er in dem 35-Mann- Betrieb einen Betriebsrat aufzubauen. Auf der ersten Betriebsversammlung in der langjährigen Firmengeschichte wählten ihn die Kollegen in den Wahlvorstand, der dann die eigentliche Betriebsratswahl vorbereiten sollte. Doch dazu kam es

nicht mehr. Per Boten bekam Schnell Anfang März die fristlose Entlassung nach Hause gebracht. Die übrigen Mitglieder des Wahlvorstands traten von ihren Ämtern zurück. Vor dem Arbeitsgericht ließ Schnell sich jetzt mit 2.000 Mark abfinden.

Höheren Orts jedoch genießt die

Firma Spitzkowski offensichtlich einen guten Ruf. Noch im vergangenen Jahr kassierte sie mehr als 100.000 Mark Wirtschaftshilfe vom Land Bremen, so der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Manfred Schramm.Spitzkowski ist auch einer der Anteilseigner am Dock III der Seebeckwerft. Auch andere „Sklavenhändler“ haben Anteile an diesem Dock erworben. „Sie etablieren sich also ganz fest bei uns“, analysiert Frank Stör (Name geändert), IG Metall Vertrauensmann auf der Seebeckwerft. Was Stör besonders erbittert: „Durch die Leiharbeiter ist die Stammbelegschaft beliebig erpressbar“. Ein Überstundenboykott der Seebeck -Schlosser sei von der Betriebsleitung mit dem Einsatz von Leiharbeitern unterlaufen worden. Seitdem liege die Drohung in der Luft: „Wenn ihr nicht wollt, holen wir Leiharbeiter.“

Mit einer Unterschriftenaktion wollen Betriebsräte und Gewerkschafter sich jetzt an Bürgermeister Wedemeier wenden. Der soll sich im Aufsichtsrat des Werftenverbundes gegen Leiharbeit wenden.Für den Senat im Aufsichtsrat sitzt Wirtschaftssenator Uwe Beckmeyer. Der hat sich noch 1985 für das völlige Verbot der Leiharbeit ausgesprochen.

mw