Kurz-Besetzung

■ Nach der nur eintägigen Besetzung der Muskauer Straße 27 verspricht Baustadtrat Orlowsky eine schnelle Lösung / Spekulanten waren am Werk

Gestern ging alles ganz schnell. Am späten Dienstag abend waren die „Besetzer“ der Muskauer Straße 27 in das Hinterhaus gegangen. Am Mittwoch mittag waren sie schon wieder draußen. „Wir haben um 11 Uhr morgens ein Plakat aufgehängt, daß wir hier das Haus wiederbeleben wollen, nicht mal richtig besetzen. Schließlich haben wir keine, Lust kriminalisiert zu werden. Es geht uns nur darum, auf einen unhaltbaren Zustand hinzuweisen. Das Haus steht seit Monaten leer. Es sieht in den Räumen katastrophal aus, hier wird doch überhaupt nicht gearbeitet oder renoviert. Feldbetten und Bundeswehrspinde stehen überall herum. Für uns ist klar, was da rein soll: Aussiedler. Für fünf Räume steht nur ein Klo zur Verfügung, wenn das nicht ein zusätzlicher Beweis ist, daß hier Aussiedler und Asylbewerber unter unwürdigen Umständen zusammengepfercht werden sollen“, erklärten die BesetzerInnen.

Wie die Pressestelle der Polizei bestätigte, sind sie freiwilig nach Aufforderung aus dem Haus gegangen. „Eine Anzeige von seiten des Hausbesitzers liegt uns nicht vor“, sagte ein Polizeisprecher.

Der zuständige Kreuzberger Baustadtrat Orlowsky bestätigte gestern die Sichtweise der „Besetzer“: „Es handelt sich hierbei offensichtlich um einen Fall von spekulativem Leerstand. Es wird vom Besitzer eine Nutzbarmachung für ein Aussiedlerwohnheim angestrebt. Die Besetzung ist deshalb legitim, wenn auch nicht legal.“

Hausverwalter Sauerbrei von der Firma Bonum Hausverwaltungen war gestern kaum zu einer Stellungnahme zu überreden: „Ich sage überhaupt nichts. Wenn Sie mir morgen Ihren Bericht schicken, werde ich mich vielleicht äußern“, sagte der Mann. Nach längerem Insistieren meinte er dann plötzlich doch noch: „Die Wohnungen sind fertig und die Mietverträge werden gerade vorbereitet.“ Diese Aussage muß der Mann in Panik gemacht haben. Sie ist offensichtlich falsch. Wer für die Räume als Mieter ins Auge gefaßt ist, wollte der Verwalter nicht sagen.

Das allerdings konnte Baustadtrat Orlowsky genau sagen. Nach seiner Information hat es 1988 zwischen der Firma Silesia und dem Bezirksamt Steglitz eine Vertragsregelung gegeben, wonach das Hinterhaus in ein Aussiedlerheim umgewandelt werden sollte. Pro Aussiedler bzw. Asylbewerber war das Bezirksamt bereit, 21 Mark Miete an den Besitzer zu bezahlen. „Sie können sich also vorstellen, was die da für einen Gewinn hätten machen können.“ Inzwischen ist der Vertrag von der Steglitzer Behörde aber wieder annulliert worden.

Eine undurchsichtige GmbH ERWO hatte beim Baustadtrat Orlowsky den Antrag auf Umbau und Umnutzung offensichtlich zum Zwecke der Vermietung an Aussiedler gestellt. Dieser Antrag wurde unter anderem deshalb abgelehnt, weil „eine unzumutbare Belästigung gegenüber anderen Mietern bei Einrichtung eines Asylantenwohnheims“ im wahrsten Sinn ins Haus gestanden hätte. Im normalen Verwaltungsgang wurde der darauffolgende Einspruch des Besitzers an den Senator für Bau- und Wohnungswesen weitergeleitet. Dort liegt er jetzt immer noch in der zuständigen Schublade.

„Ich gehe davon aus, daß Bausenator Nagel gemäß den Koalitionsvereinbarungen entscheiden wird. Danach soll es angesichts der Wohnungsknappheit keine Umwandlung von Wohnungen in Wohnheime mehr geben. Der Leerstand von Häusern soll danach schnellstmöglich beseitigt werden. Als letzter Schritt käme für den Besitzer noch ein Gang vor das Verwaltungsgericht in Frage“, meint Baustadtrat Orlowsky. Er will sich aber noch heute „auf höchster politischer Ebene“ mit dem Fall Muskauer Straße beschäftigen: „Wir wollen eine gemeinsame Vorgehensweise verabreden, die auch rechtlich abgesichert ist. Natürlich können bei einer schnellen Wiederbewohnbarmachung auch Aussiedler darin wohnen. Nur nicht eingepfercht wie im Käfig. Es kann nicht angehen, daß Menschen wie Vieh behandelt werden, um Geld daraus zu schlagen.“

Theo Düttmann