VS - gesetzlich kontrolliert

■ Die Regierungskoalition von SPD und Alternativen will einen Gesetzentwurf zur Kontrolle des Landesamtes für Verfassungsschutz im Parlament einbringen

Mit einem Dringlichkeitsantrag will die Regierungskoalition am 13. April im Abgeordnetenhaus ein Gesetz einbringen, das eine umfassende parlamentarische Kontrolle des Landesamtes für Verfassungsschutz ermöglichen soll. Der in fünf Punkte gegliederte Antrag aus der Feder des neuen Innensenators Pätzold (SPD) ist der erste einer Reihe von Gesetzesvorhaben, mit der die Koalition den skandalträchtigen Verfassungsschutz reformieren will. So sieht das Gesetz vor, daß ein aus zehn Abgeordneten zu bildender „Ausschuß für den Verfassungsschutz“ alle Kontrollmöglichkeiten über die „unheimliche Behörde“ erhalten soll.

Als ständige Mitglieder dieses Zehnerausschusses sieht das Gesetz jeweils drei Abgeordnete von SPD und CDU und zwei von AL und „Republikanern“ vor. Von allen Vorgängen, die das Landesamt für Verfassungsschutz betreffen, ist der Ausschuß zu unterrichten. „Er kann vom Senat alle für seine Kontrollaufgaben erforderlichen Auskünfte, Unterlagen, Akten und Dateneinsichten, Stellungnahmen und den Zutritt zum Landesamt verlangen sowie einzelne Mitarbeiter des Landesamt hören“, heißt es unter Punkt 3.

Vor allem sollen die Rechte des Bürgers gegenüber dem Verfassungsschutz gestärkt werden. Eingaben von Bürgern über ein sie betreffendes Verhalten des Landesamtes muß von diesem dem Ausschuß gemeldet werden. Der Beschwerdeführer kann selbst vom Ausschuß gehört werden, wenn zwei Ausschußmitglieder das wollen. Das neue Gesetz räumt dem Ausschuß die gleichen Rechte ein, wie sie auch ein parlamentarischen Untersuchungsausschuß hat. Damit wäre dieser Ausschuß, der öffentlich tagen soll, auch in der Lage, Zeugen vorzuladen - notfalls mittels polizeilicher Zuführung - und könnte bei Aussageverweigerung auch erhebliche Zwangsgelder verhängen und Beugehaft beantragen.

Dieser Passus zielt vor allem auf die „begrenzten Aussagegenehmigungen“ beamteter Verfassungsschützer oder V -Leute der Behörde. Nachdem der Berliner Verfassungsschutz jahrelang ohne jede parlamentarische Kontrolle vor sich hin spitzelte und Aktendossiers von über 100.000 Bürgern anlegte, wurde nach vielem Hin und Her 1987 schließlich eine Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) eingerichtet. Die PKK bestand aus fünf Abgeordneten, zwei der SPD, zwei von der CDU und einem FDP-Mann. Sie kamen mindestens einmal im Monat in der Villa in der Clayallee zusammen und sollten dort über alle Vorgänge aus und um die unheimliche Behörde unterrichtet werden. Schon sehr bald mokierten die SPDler, daß ihnen in der PKK mehr vorenthalten als berichtet wurde. Nachdem Ende letzten Jahres bekannt wurde, daß das Amt selbst das PKK-Mitglied Pätzold durch einen V-Mann bespitzelte, verließen die beiden SPD-Abgeordnete unter Protest das erlauchte Verschleierungskränzchen. Mit dem neuen Gesetz soll diese Behörde nicht nur transparenter werden, sondern es stärkt erheblich die Kontrollmöglichkeiten durch Parlament und Bürger.

Mit dem Seufzer „Mehr war eben nicht möglich“ akzeptiert auch der kleine Koalitionspartner AL das neue Gesetz. Deren voraussichtliches Ausschußmitglied Lena Schraut sieht „schon erhebliche Verbesserungen“. Einen Riegel will die Koalition mit der Neufassung des Verfassungsschutzgesetzes auch dem ungehemmten Datenaustausch der Sicherheitsbehörden untereinander vorschieben bei gleichzeitiger Pflicht zur Auskunft des Landesamtes gegenüber dem Bürger. Mit der Neufassung, so heißt es in der Gesetzesvorlage, „hätte Berlin die bei weitem schärfste parlamentarische Kontrollregelung gegenüber allen anderen Bundesländern und dem Bund eingeführt“. Von dem Gesetzeswerk verspricht sich die Regierungskoalition nicht nur eine effektivere Kontrolle, sondern auch, daß „die schwerwiegenden Fehlentwicklungen beim Landesamt für Verfassungsschutz wirksam, ökonomisch und weithin öffentlich parlamentarisch aufgearbeitet werden können“.

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