USA stellen die Weichen auf dem Ölmarkt

Mitte des Jahres Opec-Gipfeltreffen / Neue Ölkrise / Rücken Opec- und Nopec-Staaten irgendwann einmal enger zusammen? / Wem nutzt stabiler Ölpreis?  ■  Von Horst Buchholz

Die Opec ist wieder in die Schlagzeilen geraten. Für Mitte des Jahres wird ein Gipfeltreffen vorbereitet. Steigen dann die Erdölpreise? Droht eine neue Energiekrise? Schon wird in Anzeigen ein Boom der Ölaktien für möglich gehalten. Die Spekulanten liegen bereits auf der Lauer.

Geschichte, so heißt es, wiederholt sich nicht - aber vor genau zehn Jahren drehten die „Ölscheichs“ ebenfalls an der Preisschraube. In den USA wurde Benzin knapp. Chaos herrschte an den Tankstellen. Exxon-Tochter Esso verkündete in einer zweideutigen Anzeige: „Es gibt viel zu tun, packen wir's an.“ Angesichts der Ölpest vor Alaska gilt dies für den größten Ölmulti heute erst recht. Kurz vor einem Meeting mit dem damaligen US-Präsidenten Carter meinte der damalige BRD-Kanzler Schmidt zum US-Magazin 'Time‘, im „Wettrennen um Öl und Gas werden sogar Kriege möglich sein“. Das wenigstens ist heute nicht aktuell.

Die Opec strebt vielmehr eine Stabilisierung des Rohölpreises an. Wegen immer noch bestehender Kapazitätsüberhänge ist das jedoch eine komplizierte Angelegenheit. Eine einseitige drastische Produktionskürzung, wie in der Vergangenheit von der Opec mehrfach praktiziert, kommt nach Angaben ihres Generalsekretärs Subroto nicht mehr in Frage. Wenn schon Anpassung, dann eine Verteilung auf viele Schultern.

Mit dieser Devise versuchte die Opec bereits im Frühjahr 1988 kartellungebundene Ölexporteure auf die Seite zu ziehen. Daraus wurde nichts. Die inzwischen unter dem Begriff Nopec bekannt gewordenen Ölproduzenten Ägypten, Angola, China, Kolumbien, Malysia, Mexiko, Oman (Norwegen und die UdSSR entsendeten zunächst Beobachter) unterbreiteten damals den Vorschlag, beide Seiten sollten ihre Exporte um fünf Prozent kürzen. Das lehnte die Opec jedoch als „unzureichend“ ab. Für sie wäre das ein unvergleichlich höheres Opfer.

Indessen erklärte sich die Nopec (einschließlich der UdSSR und Norwegen) bereit, ihre Rohölproduktion um 9,2 Millionen Barrel (Barrel 159 Liter) pro Tag zu kürzen. Dies wäre zwar weniger als ein Prozent des gesamten Ölhandels, doch könnte das für weitere Stabilisierungsbemühungen ein günstiges psychologisches Signal sein. Andererseits haben sich die Opec-Mitglieder vorgenommen, ihre Förderung so weit zu drosseln, daß zur Mitte des Jahres ein Rohölpreis von 18 Dollar je Barrel erreicht werden kann. Wenn sich diese Position durchsetzt, wäre das nicht nur für das Kartell ein erheblicher Fortschritt. Die ungewöhnliche Marktmacht von Opec und Nopec - sie regulieren zusammen immerhin 72 Prozent des Weltölangebots - könnte nicht nur zu einer Preisstabilisierung für einen der wichtigsten Rohstoffe beitragen, sondern auch verhindern, daß die Opec erneut an die Wand gedrückt wird.

Ein fortwährender Kampf um Marktanteile, rückläufige Rohstoffnachfrage bei andauerndem Überangebot sowie die Ausweitung von Substitutionsproduktion hatten die Preise für das „schwarze Gold“ im Sommer 1986 auf weniger als zehn Dollar je Barrel (nach rund 31 Dollar 1980) sinken lassen. Die Öleinnahmen der Opec-Staaten fielen von 123,3 Milliarden Dollar 1985 auf 70,7 im Jahre 1986, stiegen im folgenden Jahr auf 89 Milliarden Dollar an, um 1988 wieder auf 77 Milliarden Dollar zu sinken. Andererseits sparten die öleinführenden OECD-Länder durch reduzierte Importe sowie durch die Halbierung der Ölpreise im Zeitraum von 1980 bis 1986 rund 155 Milliarden Dollar ein. 1980 mußten die 24 Mitgliedsstaaten noch 247 Milliarden Dollar für ihre Ölrechnung zahlen, 1986 nur noch 93 Milliarden Dollar.

Ihre nach wie vor ehrgeizigen Investionsprojekte mußten die Opec-Staaten wegen der knappen Kassen immer mehr durch Kredite finanzieren. Die Hochzinspolitik zu Beginn der achtziger Jahre verschärfte dann aber nicht nur die Verschuldungskrise der auf immer teurer werdenden Öleinführen angewiesenen Entwicklungsländer. Mit dem Einbruch der Ölpreise nahmen nun auch die Auslandsschulden der Opec-Gruppe enorm zu. 1976 stand sie erst mit 36 Milliarden Dollar in der Kreide - 1982 machten jene 106 Milliarden Dollar bereits ein Sechstel der Gesamtschuld aller Entwicklungsländer aus. Für Zinsen und Tilgungsraten mußte das Kartell allein in den Jahren von 1982 bis 1985 fast 123 Milliarden Dollar aufbringen. Diese Entwicklung stoppte das Wachstum. In Ländern wie Nigeria und Algerien brach eine Krise aus. Letztes Beispiel: Auch den „guten“ Schuldner Venezuela hat es jetzt erwischt.

Eine Schlüsselrolle bei der zukünftigen Entwicklung auf den Ölmärkten nimmt jedoch die USA ein. Insbesondere die rückläufigen Ölpreise haben dazu geführt, daß der Mineralölverbrauch rasch zunahm, während die eigene Förderung - mit Ausnahme von Alaska - zurückging. Trotz beträchtlicher Energievorräte importieren die USA mehr als ein Fünftel ihres Energiebedarfs. Mit einem Anteil von 42 Prozent ist dabei das Erdöl (nach Kohle und Gas mit je 23 Prozent und Kernenergie sieben Prozent) der wichtigste Energieträger des Landes. Um mehr als neun Prozent nahmen im vergangenen Jahr die Erdöleinfuhren auf 7,2 Millionen Barrel pro Tag zu. Für dieses Jahr wird ein weiterer Anstieg um 6,3 Prozent auf 7,7 Millionen Barrel erwartet. 1985 lag das Importvolumen bei rund vier Millionen Barrel pro Tag. Der Anteil der Einfuhren aus der Opec ist dabei von 41 Prozent auf 52 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen.

Die energiepolitischen Weichenstellungen - an der in der Bush-Administration immer noch gearbeitet wird - werden also schon wegen der gegenwärtigen Ölimportabhängigkeit den Weltölmarkt erheblich beeinflussen. Zur Diskussion stehen unter anderem Beihilfen für die inländische Ölförderung, Einfuhrzölle und Benzinsteuern. Günstig wäre für die USA zweifellos ein höherer Dollarkurs und wieder fallende Ölpreise. Denn dadurch würde das ohnedies große Loch in der Handelsbilanz nicht noch stärker vergrößert, und eher geringfügige energiepolitische Maßnahmen wären erforderlich.

Aber gerade auch preiswerte Energie wird in den USA nicht mehr nur als Lösung von Problemen angesehen. Es hat sich dort angesichts der beunruhigenden Ergebnisse der Klimaforschung ein geschärftes Bewußtsein für die CO2 -Problematik herausgebildet, und 90 Prozent des US -Energieverbrauchs basiert auf fossilen Energieträgern, die entsprechende Emissionen verursachen. Andererseits würde ein Ausbau der Kernenergie ebenfalls auf starke Widerstände stoßen. Wie auch immer Bush sich aus dieser Klemme lavieren wird, zusammen mit der britischen Regierungschefin Thatcher kann auch er dem neuen Bündnis von Opec und Nopec nicht viel abgewinnen. Beide plädieren zusammen mit Ölmultis für freie, deregulierte Märkte.

Den hochverschuldeten Entwicklungsländern allerdings würde ein stabilisierter Rohölpreis durchaus nützen. Ihr Ölbedarf wird auch 1989 zunehmen. Die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris erwartet hier einen Anstieg um 0,4 Millionen Barrel auf 13,8 Millionen Barrel pro Tag im Jahresdurchschnitt.

Noch ein weiterer Aspekt auf einem ganz anderen Feld schließlich spricht für eine Stabilisierung rund um das „schwarze Gold“. Die Welt-Erdölreserven von rund 908 Milliarden Barrel werden noch rund 40 Jahre ausreichen. Problematisch ist jedoch die ungewöhnliche Konzentration: Im Mittleren Osten lagern 53 Prozent, in Nord- und Südamerika 17 Prozent, in den sozialistischen Ländern neun und in Westeuropa zwei Prozent. Die Versuchung der Nato-Länder, sich den Zugriff auf diesen wichtigen Rohstoff zu sichern, liegt durchaus nahe. Der liberale US-Senator William Fulbright meinte einmal, die arabischen Erdölproduzenten hätten nur unbedeutende militärische Möglichkeiten. „Sie sind schwache Gazellen im Dschungel wilder Tiere.“ Das gilt auch heute noch. Nato-Strategen sowie einige einflußreiche Politiker denken jedoch weiterhin in längst überholten Kategorien. Ein starkes Bündnis von Rohölproduzenten kann die Gefahren, die derartige Positionen für den Weltfrieden bedeuten, durchaus eindämmen.